Schlagwort-Archive: Goethe

Das Chateaubriand, bitte, medium-rare!

Eine ganze Reihe von Menschen weiß, was sie auf den Teller bekommt, wenn ein Steak Chateaubriand bestellt wird, ein ganz dickes saftiges nämlich. Die wenigsten bei uns wissen indes, dass François-René de Chateaubriand neben Madame de Staël, die auch in Deutschland bekannt wurde – u.a. als eine Art Arbeitgeber von August Wilhelm Schlegel – der in Frankreich bekannteste Frühromantiker war. Einige seiner Novellen machten ihn dazu. Wirklichen Ruhm jedoch erlangte er durch seine Abhandlung Le Génie Du Christianisme, eine Apologie des Christentums, in der er den Gottesbeweis (oft deduktiv veranlagt) quasi umkehrte, indem er von der Schönheit der Natur auf die Existenz Gottes schloss.
Sein letztes Großwerk ist posthum erschienen, darauf war es angelegt, was schon der Titel verdeutlicht: Erinnerungen von jenseits des Grabes. Geschrieben wurde es im Zeitraum von 1811 bis 1841, und es ist für den heutigen Leser deshalb so interessant, weil dieses Leben vor der französischen Revolution begann und diese kritisich begleitete (z.B. sie als Offizier im Emigranten-Heer bekämpfte). Dann musste er nach England fliehen und kehrte 1800 nach Frankreich zurück und wurde Staatsbeamter unter Napoleon. Er wurde Gesandtschaftsdeligierter in Rom, aber bald wieder abberufen. Dann wandte er sich den Royalisten zu und kam während der Juli-Revolution von 1830 erneut in erhebliche Schwierigkeiten. Später reiste er mehrmals nach Prag (da war er schon über sechzig Jahre alt, und eine Reise mit der Kutsche war keine Kaffeefahrt…), um die Mitglieder der Bourbonen-Familie zu versöhnen. Eine ihm zustehende Ministerpension schlug er aus und musste Landbesitz und bewegliche Habe verkaufen um zu (über)leben.

Bitte weiterlesen unter Reflexe und Reflexionen!

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Zeitliches

Fastenzeit

Jungfer Sein ist ja so etwas wie permanentes Fasten. Ich möchte mich daher zu Beginn der Fastenzeit mit diesem Thema beschäftigen.

Der Begriff oder das Wort „Jungfer“ sind allerdings ein bisschen aus der Mode gekommen. Das Wort ist ganz aus der Mode gekommen, die Jungfern aber so ziemlich auch. Wir sind halt alle dünnhäutiger als unsere Vorfahren. Einerseits. Und andererseits – wen schert das denn noch?

Aber interessant ist es trotzdem, sich einmal anzusehen, wie unsere Dichter und Denker mit diesem atavistischen Phänomen umgegangen sind. Und es wird sich herausstellen: Jeder auf seine typische Art und Weise!

Fangen wir an mit Friedrich Engels.

Die alte Jungfer, die in zivilisierten Ländern zumeist nur nominell vorkommt, ist in Deutschland allerdings ein bedeutender „sozialer Casus“.

Heißt: Es gibt in Frankreich, z.B., zwar Jungfrauen, aber nur auf dem Papier. In Deutschland aber denkt man an die Rente und sowas. Eine soziale Frage also.

Johann Wolfgang Goethe setzt das Thema dramatisch in Szene:

Jungfer! Ruf ich das Mädchen, ist, Jungfer, der Herr nicht zu Hause? Aber sie hört nicht, der Ruf schlägt ihr am Ohr nicht an.

Würde sie „nein“ antworten, käme das einer Aufforderung gleich, ins Haus zu kommen. Würde sie „ja“ antworten, bedeutete das, dass sie den Hintersinn der Frage sehr wohl verstanden hat, was sie aber nicht zugeben dürfte. Altmeister Goethe kennt sich mit (Jung-)Frauen aus und verordnet der Jungfer Schweigen.

Friedrich Schiller setzt das Thema pathetisch in Szene:

Reizende Fülle schwellt der Jungfrau schwellende Glieder;
Aber der Stolz bewacht streng wie der Gürtel den Reiz.

Es schwillt bei Schiller eine ganze Menge. Aber der Stolz ist das Moralin der schillerschen Kunde.

Weniger moralisch, als vielmehr lebenserfahren gibt sich dagegen Gotthold Ephraim Lessing.

Auf das Jungfernstift zu…

Denkt, wie gesund die Luft, wie rein
Sie um dies Jungfernstift muß sein!
Seit Menschen sich besinnen,
Starb keine Jungfer drinnen
.

Lessing kannte sich da wohl aus…

Auch der Mathematiker, Philosoph, Exzentiker Georg Christoph Lichtenberg hat sich den Jungfern gewidmet. Er hat das aber auf eine so clevere Weise gemacht, dass ich ihn leider nicht verstehe.

Jungfern, davon drei aufs Säkulum gehen.

Ich kapituliere, aber Ihr seid gewiss schlauer und könnt mir sagen, wie er das gemeint hat…

Anregungen und mehr zu diesem Post verdanke ich dem schönen Büchlein Der Lustgarten (Eulenspiegel Verlag Berlin 1989)

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Zeitliches

Fichte in Briefen…

Jena, den 26. Mai 1794, morgens um 7 Uhr

Wenn Du mit Papachen kommen wirst, so werden wir uns mit der Wohnung anfangs etwas eng behelfen müssen. Auf den Winter habe ich – durch ein ganz besonderes Glück bei dem hiesigen allgemeinen Mangel an Wohnungen für Familien – eine Wohnung im Vorschlage, die sehr gelegen ist und die den einzigen Mangel hat, daß sie etwas teuer ist.

Johann Gottlieb Fichte schrieb dies an seine Frau, die noch bei „Papachen“in Zürich lebte. Eine Übersicht und Kommentierung von Fichtes Briefen findet sich unter Reflexe und Reflexionen.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Umwertung aller Werte… (na ja, einiger…)

Die Bäder von Lucca: Motto und Widmung

Schwul sein und rassistisch – vor 200 Jahren und heute:

Damals durfte man nicht schwul sein, aber rassistisch schon. Der Haß auf Juden war nichts Anrüchiges, sondern in Deutschland weit verbreitet.

Heute darf man schwul sein, aber Rassismus ist verpönt, wie die letzten 14 Tage eindrucksvoll gezeigt haben.

Aber ist die Stimmung wirklich kreuzweise gekippt?

In einem neuen Beitrag in den Reflexen und Reflexionen bereite ich die Analyse zweier Kapitel aus Heinrich Heines Die Bäder von Lucca vor, in denen Heine eine Art  Solo-Shitstorm vollführt: Der Dichter Platen hasst Heine, weil er Jude ist. Und Heine outet im Gegenzug Platen als schwulen Möchtegerndichter.

Hier füge ich ein paar Xenien von Karl Immermann ein, die Heinrich Heine in seinen Reisebildern weitgehend zustimmend zitiert hatte:

Östliche Poeten

Groß mérite ist es jetzo, nach Saadis Art zu girren,
Doch mir scheints égal gepudelt, ob wir östlich, westlich irren.

Sonsten sang, bei Mondenscheine, Nachtigall seu Philomele;
Wenn jetzt Bülbül flötet, scheint es mir denn doch dieselbe Kehle.

Alter Dichter, Du gemahnst mich als wie Hamelns Rattenfänger;
Pfeifst nach Morgen, und es folgen all die lieben, kleinen Sänger.

Aus Bequemlichkeit verehren sie die Kühe frommer Inden,
Daß sie den Olympus mögen nächst in jedem Kuhstall finden.

Von den Früchten, die sie aus dem Gartenhain von Schiras stehlen,
Essen sie zu viel, die Armen, und vomieren dann Ghaselen.

Diese Xenien gaben Anlass zu dem Streit, der mit den Kapiteln X und XI in Die Bäder von Lucca eskalierte. Goethe hatte 1819 im West-östlichen Divan Lyrik im orientalischen Stil (vor allem des Saadis und Hafis) publiziert. Lyrik in diesem Stil wurde zu einer Modeströmung, an dem sich auch die „kleinen Sänger“ Rückert und Platen beteiligten. Platen, der eine Vorliebe für Ghaselen hatte, erkannte sich in der letzten Zeile natürlich sofort wieder und war natürlich nicht gerade begeistert. Er, der adlige und sich selber mit Lorbeer schmückende Dichter, wurde hier dargestellt als ein Follower, der zu viel vom Fraß des Meisters genossen hatte und Ghaselen kotzt.

Mehr und Vorläufiges dazu unter Reflexe und Reflexionen. Heinrich Heine: Reisebilder. Beitrag Nr. 2

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Sonett über eine atomische Vorstellung

Ich surft’ im Netz so vor mich hin,
gar nichts zu suchen war mein Sinn.
Ich unterbrach die Surferei
und schaut‘ bei meiner Mail vorbei.

Da war `ne Mail von wordpress.com.
Ich glaube, Petra Haysst sie, fromm,
und Wänglein zeigt sie, rund und prall
wie Kügelchen(1) von Vattenfall.

Das hab‘ ich ihrem Bild entnommen.
Auch die Gedichte fand ich fein.
So hab`ich mir ein Herz genommen:

Zu einem Chat lud ich sie ein.
Ich wünscht´, sie wird mal zu mir kommen.
Wird sie auch sonst atomisch sein?

(1) Kugelreaktoren

2 Kommentare

Eingeordnet unter Zeitliches

Mal was Selbstkritisches…

Als Nietzschefan und -verwerter setze ich gelegentlich bei Nietzsche an, um bei mir zu enden. Das ist neulich gründlich in die Hose gegangen, wie mir erst so richtig bewusst wurde, nachdem ich über ein Verdikt von Friedrich Schiller gestolpert bin. Aber der Reihe nach.

Neulich habe ich ein kleines Poster entworfen und realisiert. Ein paar Sätze von Nietzsche sowie zwei Bilder von Rosen in meinem Garten hatten mich dazu inspiriert.

Die Collage ist nicht besonders geschickt aufgebaut und wurde seit ihrer Anbringung in meinem Gartenhaus auch relativ verhalten aufgenommen. Das hat mir allerdings zunächst wenig ausgemacht. Denn ich fand zumindest mein Verslein immer noch ziemlich witzig.

Bis ich in einem Brief von Friedrich Schiller an Johann Wolfgang Goethe vom 24. November 1797 folgenden Satz fand:

Man sollte wirklich alles, was sich über das Gemeine erheben muß, in Versen wenigstens anfänglich konzipieren, denn das Platte kommt nirgends so ins Licht, als wenn es in gebundener Schreibart ausgesprochen wird.

 

Ich war platt! Dennoch Danke, großer Dichter…

 

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Zeitliches

Über die Liebe I

Neue Datei 33_1Ich lese zur Zeit  ein Buch von Ian Bostridge „Schubert’s Winter Journey – Anatomy of an Obsession“. Übrigens auch auf Deutsch erschienen. Und wenn ich ein Kapitel gelesen habe, höre ich mir das jeweilige Lied auf Spotify an. Hier ein kleiner Ausschnitt. Aladin und Adonis sind ebenfalls interessiert. Und nebenbei lernt man auch noch etwas dazu über die Liebe. Bostrige, der übrigens die Winterreise auch mehrfach vertont, also gesungen hat (hier ist allerdings Dietrich Fischer-Diskau zu hören), diskutiert z.B. die Frage, ob Schubert homosexuell war und verweist in diesem Zusammenhang auf die venezianischen Epigramme von Johann Wolfgang von Goethe, in denen der erklärt, er ziehe Sex mit einer Frau vor, da man sie, wenn man sie als Mägdelein gehabt habe, auch noch als Jungen vereinnahmen könne.

Ein kleines Video einer klitzekleinen Kostprobe aus der Winterreise gibt es hier.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Tagebuch, Zeitliches

Oberons Garten

Es hatte schon den ganzen Tag geregnet, und die Temperatur war in den letzten zwei Tagen beträchtlich in den Keller gerutscht. Da habe ich bei Ulrich Hassenpflug und Elke Richter angerufen und wurde von Ulrich spontan eingeladen („da reist ich nach Deutschland hinüber…“). Also habe ich mich mit der U 75, die bis zur Vennhauser Allee in Eller fährt, auf den Weg gemacht, um an dem mächtigen Tor des Anwesens Heidelberger Straße 75c zu klingeln. Ulrich kam mir entgegen, ich sah „in der Ferne“ zunächst einen großen Mann mit langen blonden Haaren, der mir zuwinkte. Ulrich ist im Gesicht etwas fleischiger geworden, ansonsten ganz der Alte. Elke und Oberon, ihr sanftmütiger Wachhund, begrüßten mich im Trockenen. Bei einer Tasse Kaffee redeten wir über Familie und andere traurige Dinge, den Tod zum Beispiel, bis Ulrich mich in den Garten begleitete, in dem eine ganze Reihe seiner eisernen Kunstwerke ausgestellt sind. Ausgestellt sind – das trifft es ganz und gar nicht. Denn dort ist in Wirklichkeit ein ferro-terrarisches Symbiotop von einzigartiger Schönheit. Der Schwebebalken im chinesischen Schilfrohr (oder wie hießen diese schlanken, zugespitzten grünen Grasdegen, die um dieses rostige Stück Eisen, das auf den Spitzen der Pflanze zu schweben schien, ganz sanft herumtanzten?), die mächtigen und manchmal auch schmächtigen Stangen, die sich entweder von selber, also ohne menschliche Hilfestellung, bewegen, wenn Wind aufkommt, die runden Edelstahlschalen und die rostigen, schweren und doch nach Berührung schwerelos schwingenden Pendel. All das habe ich im Regen unterm Regenschirm von einem Stück zum andern wandernd wahrgenommen und zunächst nicht gewusst, dass ich diesen einzigartigen Garten auch ganz in mich aufgenommen habe.Nochmal Trilobit 2008 Dessen wurde ich mir erst bewusst, als ich, schon im Bett liegend, die Bilder des Tages an mir vorbeiziehen ließ. Ein Garten ist ja an sich schon etwas Lebendiges. Diesem Garten jedoch ist durch die Anwesenheit dieser Stahlskulpturen auch menschliches Leben eingehaucht. Klar, wenn der Wind weht, bewegen sich einige der Skulpturen, und bei anderen besorgen das die Vögel, die auf ihnen einen Platz finden. Aber diese Stahlgebilde setzen sich zwar einerseits schon durch ihre bloße Materie den Pflanzen und Bäumen und dem Gras und den Vögeln entgegen, gehen aber andererseits eine Verbindung mit diesen „Dingen“ ein, ja verändern sie, da sie das Gesicht der Landschaft verändern, auch im einzelnen. Es findet eine Verdinglichung der Natur statt, zur gleichen Zeit aber auch die Naturalisierung eines Metalls, das eigentlich doch immer schon ein Teil dieser Erde war, bevor der Mensch es technisch vereinnahmte und damit der Erde entfremdete. Ulrichs künstlerische Vereinnahmung hebt diese Entfremdung wieder auf. Und das genau ist das Geheimnis, der Quell der Faszination dessen, was diesen künstlerischen Garten ausmacht. Metall wird ein Teil von Natur, und die Aufhebung der Entfremdung, wie sie vorhin geschildert wurde, erweckt beim Betrachten, beim Begehen des Gartens und Berühren der Gegenstände im Besucher ein Gefühl von Ruhe und Glück, weil auch er hoffen darf, „zu sich zu kommen“, alles Fremde und Störende abstreifen zu können, ganz er selber zu sein im künstlerischen Reigen der Natur („Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, und sind doch…). Am Schluss, beim herzlichen Abschied, wurde ich von Oberon noch einmal angestupst, und ich glaube sogar, der Hund hat mich angeblinzelt. Vielleicht, weil er schon wusste, was ich da noch nicht wusste, und er wusste, dass ich’s bald kapieren würde…

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Zeitliches

Faust III. Der Alte will es (noch mal) wissen / und war dann doch zu zierlich…

Faust am Ende: In einem Alpen-Spa, mit einem Prolog im siebten Himmel, einem Vor- und Nachspiel und einer etwas umständlichen Betrachtung als Zwischenfall

Prolog im siebten Himmel

Als ich an diesem Nachmittag in die Sauna kam, saß da ein junges Pärchen in dieser runden Entspannungsnische und küsste sich, die Beine ineinander verschlungen, die Arme umeinander gewickelt und die Lippen ineinander verschmolzen. Ich habe sie später im Pool gesehen, er schwamm voraus, sie hing dahinter an ihm, und sie zogen langsam ihre Bahn in gemeinsamer Bewegung. Am Abend, beim Büffet, gingen sie nie einzeln, also getrennt, zu den Speisen, immer zusammen, und bevor sie etwas auf ihre Teller schaufelten, küssten sie sich, und wenn sie sich dann wieder an ihren Tisch begaben, küssten sie sich, bevor sie auf zwei verschiedenen Stühlen wieder Platz nahmen. Von verschiedenen Tellern essen zu müssen, das muss für sie eine kaum zu ertragende Qual gewesen sein. Doch jedes mal, wenn sie das Weinglas hoben, küssten sie sich wieder.

Er war übrigens ein schlanker, schöner Mann, sie hatte etwas zu dicke Beine. War das alles also nur ein Ablenkungsmanöver?

Dicke Beine

Vorspiel

Eine Praxis für asiatische Massage in Frankfurt

Besucher: Guten Tag.

Nana: Guten Tag. Zum ersten Mal?

Besucher: Ja. Was bieten Sie denn an?

Nana: Kommen Sie! Kommen Sie.

Nach circa 40 Minuten

Nana: Alles?

Besucher: Was alles?

Nana nimmt ein wenig Gestik zu Hilfe:

Nana: Ja, eben alles.

Besucher: Dann also alles Mögliche…

Gedanken zu einem missratenen Termin im Beauty & Spa eines Wellness-Hotels in den Alpen

Auf dem Frühstückstisch lag wie immer ein Flyer mit Angeboten des Tages. Unter „Freie Termine im Beauty & Spa“ stand:

Lomi-Lomi Nui: Die Magie des Jahrtausende alten Massagerituals! Schließen Sie die Augen und tauchen Sie ein in den Genuss! Jeder Teil Ihres Körpers (Hervorhebung von mir) erfährt durch sanftes Drücken, Streichen, Dehnen – unter Verwendung von warmen (sic) Öl – die Aufmerksamkeit, die er benötigt. Diese Energiemassage regeneriert den Körper von Innen und schenkt Ihnen neue Sensibilität. Dauer: 75 Minuten / € 95,00.

Ich habe mir nun gedacht: Wenn die chinesische Nana besser Deutsch sprechen könnte, dann hätte sie mir wohl ihre Massage mit eben diesen Worten angepriesen. Und habe – neugierig geworden – im Internet nach erotischen Massageangeboten gesucht und festgestellt, dass die einschlägigen Studios mit sehr ähnlichen Worten für ihren einschlägigen Service werben. Wie gesagt, neugierig geworden und dennoch in realistischer Einstellung habe ich mich also zum Alpenlarch Spa begeben, in der Gewissheit, wie in früheren Jahren eine ganz solide Massage zu erhalten.

Ich wollte es einfach wissen und folgte einem urfaustischen Drang… (Schließlich ist Faust am Ende (vorläufig zumindest) bei Gretchen gelandet…)

Die Neue heißt Manuela. Ich fragte sie zuerst nach Maria, und sie sagte mir, dass sie nicht mehr da sei. Wir verabredeten also einen Termin für 15 Uhr, und bei der Terminvergabe beugte sie sich recht weit über den Tisch. Ich hatte also gute Aussichten – auf eine angenehme Lomi-Lomi-Nui-Massage. Als ich um Punkt 15 Uhr wieder dort erschien, war zunächst niemand da. Dann tänzelte ein junger Mann in weißer Kluft an mir vorbei, offenbar Manuelas Kollege. Sie kam schließlich auch aus einem Zimmer, ging an mir vorbei, ohne mich dabei anzusehen, geschweige denn zu begrüßen. Da ahnte ich nichts Gutes. Schließlich kam der junge Mann wieder zum Vorschein, in Stimmlage, Gang und Arm- und Hand-Gestik so, wie gemeinhin Schwule in Filmen dargestellt werden, also filmreif. Als er mir dann die Hand gab und mich in ein Massagezimmer bat, habe ich ihm gesagt, dass ich mich gern von einer Frau massieren lassen möchte. „Das hätten Sie bei der Terminabsprache sagen müssen!“ sagte er mir. „Ich bin davon ausgegangen…“ fing ich an, und er fiel mir ins Wort und sagte, heute sei sowieso keine Masseuse frei. Ich bin also wieder gegangen.

Mir schien, hier war etwas schief gelaufen, und es lag nicht an mir. Warum hat Manuela mich nicht darauf hingewiesen, dass ich heute von einem Mann massiert werden würde? Das Hotel ist nicht gender-unsensibel. An einer Sauna steht: „Ab 17 Uhr nur für Frauen!“ Manche Frauen ziehen eine reine Frauensauna vor, und manche Frauen lassen sich lieber von Frauen massieren (andere mit Vorliebe von jungen Männern, auch das ist bekannt). Warum sollten sich ältere Männer nicht mit Vorliebe von jungen Frauen massieren lassen? Eine völlige Missachtung solcher Aspekte wäre in meinen Augen ein wenig weltfremd.

Natürlich sind die Manager solcher Hotels nicht weltfremd. Aber sie denken natürlich ökonomisch. Wenn also an einem Tag nur männliches Personal zur Verfügung steht, fragt man die massagewilligen Männer besser nicht nach ihren geheimen Wünschen… Und die meisten Gäste „schlucken“ im gegebenen Fall, was ihnen vorgesetzt wird, selbst wenn sie was anderes möchten. Weil die meisten eben so tun, als ginge es bei diesen Wellnessmassagen ausschließlich um eine medizinisch induzierte Verbesserung ihres körperlichen Zustandes…

Prüderie ist ja aus unserer Gesellschaft anscheinend weitgehend verbannt. Aber in diesen Wellness & Spa – Abteilungen hat sie sich noch eine kleine Nische gesichert.

(Natürlich haben Sie längst bemerkt, dass ich Grund zu der Annahme habe, einen gewissen Verdacht zu hegen, was meine Sicht auf die Beschreibung solcher Massagen betrifft. Was also, so lautet der Verdacht, muss in meinem (kranken?!) Kopf vorgehen, wenn ich diese Assoziationshomomorphien entdecke in der Beschreibung einer Massage in einem Hotelprospekt und in der Werbung für eine erotische Massage?)

 

Nachspiel

Manuela und (nennen wir ihn mal Daniel) und Daniel sitzen am Abend noch ein wenig unter sich im Beauty & Spa beisammen.

Daniel, mit filmreifer Handgestik:

Du, der Typ wollte sich partout nicht von mir massieren lassen.

Manuela:

Tja, ich wollte dir was Gutes tun. War eigentlich dein Typ. Konnte ja nicht wissen, dass der Kerl sich so zieren würde.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Tagebuch, Zeitliches