Monatsarchiv: September 2023

Göttliche KI?

Künstliche Intelligenz ist, seit sie seit ein paar Jahren wirklich boomt, zu einer allgemeinen Projektionsfläche geworden, die von allen möglichen Leuten für alles Mögliche missbraucht wird. Für die einen bedeutet sie das Ende der Menschheit, für die anderen läutet sie ein völlig neues paradiesisches Zeitalter ein. Neulich lautete eine Überschrift in der Süddeutschen Zeitung (18.09.2023): “Ist das der Gottesmoment der Menschheit?” Was dann folgt ist ein Interview mit der Philosophin und Theologin Anna Puzio, die darauf hinweist, dass derzeit im KI- und Technikdiskurs sehr viele religiöse Motive reproduziert werden. Dabei sei es besonders interessant, dass diese Diskurse “sehr stark mit Machtvorstellungen aufgeladen” seien. Wie genau aber KI und Macht zusammenhängen, – die Antwort darauf bleibt die Theologin uns schuldig.

Und das ist genau der Punkt, an dem uns das 2021 erschienene Buch “Atlas of AI” (AI = artificial intelligence, also KI) von Kate Crawford abholt. In diesem grundlegenden Werk zur KI geht die Autorin genau der Frage nach, wie KI und Macht zusammenhängen, welche materiellen Voraussetzungen KI hat und welche Folgen, welchen Interessen sie dient und wessen Interessen sie zuwiderläuft. Das Buch ist also eine Analyse des Phänomens in bester ideologiekritischer Tradition. Es ist also keine Taxonomie der Erscheinungsformen, sondern ein Ausloten der kausalen Tiefenstruktur des Phänomens im Beziehungsgeflecht von Macht, Politik und den Kosten für unseren Planeten.

Kate Crawford hat beinahe zehn Jahre recherchiert für dieses Buch und ist dabei auch immer wieder um die Welt gereist, um aufzuspüren, wie das Leben auf allen Kontinenten durch die KI verändert wird, welche Folgen sie für die Menschen hat und um herauszufinden, wer letztendlich und am meisten von ihr profitiert. Zu dem letzten Aspekt gibt sie ein ebenso klare wie erschreckende Antwort: Es ist eine Handvoll von Milliardären, deren Namen fast jeder kennt. Wer noch nie gegoogelt hat oder noch nie etwas von Amazon erhalten hat, dem, allenfalls dem dürften die Namen dieser Milliardäre nichts sagen….

Der ganze Artikel ist wie immer einzusehen unter Reflexe und Reflexionen.

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Belebung

Wenn du in der Sauna bloß noch alte Menschen antriffst, dass es schon keinen Unterschied mehr macht, ob du die Brille abgelegt hast oder nicht, ja, dann hast du genau das Hotel gewählt, das dir altersmäßig zukommt.

Aber als ich danach wieder aufs Zimmer kam, wo inzwischen der Zimmerservice gewesen war, da fühlte sich das an wie ein Wiederauftauchen aus der Steinzeit.

Das Zimmermädchen und ich: Ein Herz und eine Stele.

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Erleuchtung

Völs am Schlern hat sehr schöne Hotels. Rose Wenzer und das Heubad habe ich schon ausprobiert. Diesmal bin ich ins hotel st.anton gegangen, weil nichts anderes mehr bei booking.com zu haben war.

Dieses Hotel gehört einem gewissen Kompatscher, also Tradition, ist überaus groß und liegt an der Gabel von Hauptverkehrsstraße und Einfahrt zum Indurstriegebiet. Macht nichts, habe ich mir gesagt, Hauptsache die Innereien stimmen. Als ich vor der Rezeption stand, wurde es mir mulmig, alles o.k., aber unpersönlich. Das Zimmer dann, auch irgendwie o.k., aber diese runden, riesigen Deckenlampen, der runde Beistelltisch, das auf dem Schreibtisch fast festgeklebte Deckchen, das bei seiner Entfernung einen großen Flecken offenbarte, das Zimmer und das Bad, alles ziemlich groß, geklotzt nicht gekleckert, aber der Teppich hier und da bekleckert. Das Schwimmbad wohltemperiert, die Saune klein, aber fein. Auf den Fluren hängen interessante Bilder, Lokalkolorit aber auch Kunst, nicht mal so schlecht.

Aber dann betrat ich am Morgen den Speisesaal und fand folgende Tafel auf meinem Tisch:

Wer derart massiv gegen Schnorrer angehen muss, hat offenbar die falschen Gäste. Und das hat offensichtlich mit den Eindrücken zu tun, die ich oben beschrieben habe. Jeder hat aber die Gäste, die er verdient.

Interessant übrigens, wie wieder mal die Poesie dafür herhalten musste, dem hart Fordernden eine schmeichelhafte Spitze zu verpassen…

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Bajuwarischer Antipode

Wer ist der bajuwarische Antipode? Laut Selbstauskunft ist das immer noch Friedrich Nietzsche, der sich in Ecce Homo neben kulinarischen Betrachtungen auch den Gillamoosschen Auswüchsen widmet. Hier die trophologische Beurteilung der Deutschen, aber auch der Engländer. Und bei letzteren kommen einem die kulinarischen Leiden in den Sinn, die der Kommissar in Frenzy auszustehen hat, weil dessen sehr englische Frau einen Kochkurs in französicher Küche absolviert. Hitchcock hätte Nietzsches Ausführungen zu dem Thema gewiss gefallen, wenn er sie gekannt hätte. Oder hat er sie gekannt?

“Aber die deutsche Küche überhaupt – was hat sie nicht alles auf dem Gewissen! Die Supppe vor der Mahlzeit (noch in Venetianischen Kochbüchern des 16. Jahrunderts alla tedesca genannt); die ausgekochten Fleische, die fett und mehlig gemachten Gemüse; die Entartung der Mehlspeisen zum Briefbeschwerer! Rechnet man gar noch die geradezu viehischen Nachguss-Bedürfnisse der alten, durchaus nicht bloß alten Deutschen dazu, so versteht man auch die Herkunft des deutschen Geistes – aus betrübten Eingeweiden… Der deutsche Geist ist eine Indigestion, er wird mit nichts fertig. (Auch die Zeitenwende ist die reinste Indigestion; sie wird mit nichts fertig.) – Aber auch die englische Diät, die, im Vergleich mit der deutschen, selbst der französichen, eine Art “Rückkehr zur Natur”, nämlich zum Kannibalismus ist, geht meinem eignen Instinkt tief zuwider; es scheint mir, dass sie dem Geist schwere Füße gibt – Engländerinnen-Füße… Die beste Küche ist die Piemonts.

(Nietzsche hat bekanntlich seine letzten bewussten Tage in Turin erlebt und gerne die bekannte Pasta Piemonts verspeist.) – Alkoholika sind mir nachteilig; ein Glas Wein oder Bier des Tags reicht vollkommen aus, mir aus dem Leben ein “Jammertal” zu machen, – in München leben meine Antipoden.”

Niemand hat bisher Rousseaus “Rückkehr zur Natur” boshafter verarscht. Und wozu Hitchcock ein paar Szenen braucht, um seinen Punkt zu machen – Nietzsche schafft das mit einem einzigen Wort: Engländerinnen-Füße… Man hat zwar keine Ahnung, was das bedeuten soll, und trotzdem eine sehr plastische Vorstellung von den Füßen von Frauen, die als Gesamtkunstwerk auch heute noch gelegentlich sehr skurril in Erscheinung treten.

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