Archiv der Kategorie: Reflexe und Reflexionen

England, Suffolk

W. G. Sebald: Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt. Fischer, Frankfurt a.M. 1997

Die Grafschaft Suffolk an der englischen Ostküste ist dünn besiedelt, aber voller Geschichte(n). Und (fast) nur um die geht es in diesem „Reisebericht“ aus dem Jahre 1992. Während in Willi Winklers kürzlich hier besprochenen „Wanderbuch“ Herbstleuchten immerhin z.B. die Planken der Autobahnen (die es zu meiden gilt), die Mühsale der Alpenüberquerung (ein Kampf mit dem Alter) und ab und zu auch freche Bemerkungen von dem einsamen Wanderer Begegnenden (die man frech kommentiert) vorkommen, enthält Sebalds Buch im Wesentlichen Geschichten, die irgendwie mit der Vergangenheit dieser ostenglischen Landschaft in einem Zusammenhang stehen.

Mehr dazu unter “Reflexe und Reflexionen”.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Transzendenz der Technik

Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml. Beck, München 2023

Empolis Roman wird als “Buch der Stunde” bezeichnet, durch das man bisher nicht erreichte Einsichten über das “System Putin” gewinne. Ich muss gestehen, dass eine solche Einschätzung für mich ein Teil der Motivation gewesen ist, mir dieses Buch zu kaufen. Nun, da ich es fast ohne beiseite zu legen gelesen habe, steht für mich fest: Es handelt sich hier um einen hervorragend konzipierten und erzählerisch äußerst souveränen, auch poetisch anspruchsvollen Roman, der strukturell in etwa so aufgebaut ist wie ein anderes aktuelles Buch, “Act of Olivion”, nämlich so, dass historisch weitgehend abgesicherte Fakten (Das gilt allerdings nur begrenzt für den Magier; s.u..) dadurch spannend aufbereitet werden, dass sie um einen fiktionalen Kern als deren Brennpunkt angeordnet werden. In beiden Fällen handelt es sich um eine als Person erfundene Figur, hier um einen Mann namens Wadim Baranow, der wegen einer zentralen Position im Kreml, nämlich als Putins wichtigster Spindoctor, Zugang zu allen möglichen Leuten und Ereignissen hat. 

Die Besprechung einiger Aspekte dieses Buches ist unter Reflexe und Reflexionen zu finden. Hier möge als Ergänzung hinzugefügt werden: Das erste Kapitel dient der theoretischen Einstimmung auf das, was der “Magier” dem Erzähler in den folgenden Kapiteln zu sagen hat. Dass es zu einer solchen Begegnung von Erzähler und Magier kommt, ist dem gemeinsamen Interesse an einem Autor des frühen 20. Jahrhunderts zu verdanken, Jewgeni Samjatin, der einen Roman mit dem Titel Wir geschrieben hat, in dem er, wie er selber glaubte, sich kritisch mit dem im Aufbau befindlichen Sowjetsystems befasste. In Wirklichkeit, so die These des Erzählers, hat er viel mehr im Visier gehabt, nämlich die Systeme aller künftigen Diktatoren, mögen sie Marc Zuckerberg oder Xi Jinping heißen. Samjatin beschreibt eine Art globaler Matrix von Algorithmen, die sich nie irren, von der unsere primitiven Gehirne überrannt werden. Ja, das klingt nicht nur dystopisch, das ist die finale Dystopie. Samjatin hat also ein Jahrhundert übersprungen und beschreibt – unsere Gegenwart! Und was der Magier dem Erzählter nun im Verlaufe des Romans darlegt, ist nichts anderes als der Beweis dafür, dass Samjatins “Utopie” nichts anderes ist als eine genaue Analyse des 21. Jahrhunderts. Um die Apokalypse zu verhindern, also eine Welt jenseits der Algorithmen, die Chaos und damit Untergang bedeutet, ist jedes Mittel recht, ist jede Macht gerechtfertigt. Ereignisse wie der Ausbruch eines neuen Virus oder der Anschlag auf ein Atomkraftwerk bedrohen die Existenz der Menschheit. Also werden die Menschen ein Interesse daran haben, eine Macht zu etablieren, die solche Ereignisse verhindert. Und da Ereignissen nicht auf die Stirn geschrieben ist, ob sie gut oder schlecht sind, geht es darum, Ereignisse überhaupt zu verhindern. The Big Freeze.

Wenn nun nach solchen Mitteilungen die kleine Tochter Baranows am Ende des Besuchs des Erzählers im Zimmer auftaucht und der Vater dahinschmilzt und sagt, seine Tochter übe eine stärkere Macht auf ihn aus als alle Diktatoren der Welt es jemals vermögen könnten, dann gibt das dem Roman doch noch ein versöhnliches Ende, dessen Message sein könnte: Die da draußen können zwar unser Leben bedrohen und vernichten, aber sie können nicht verhindern, dass wir das Leben lieben. Und dass wir diese Liebe an die nächste Generation weitergeben.

Die Kraft, die das ukrainische Volk aufbringt, dem russischen Aggressor zu trotzen, ist ein Ausdruck eben dieser Liebe zum Leben.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Charles eins zwei drei

Von Thomas Hobbes stammen so markante Sprüche wie homo homini lupus (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) und bellum omnium contra omnes (Krieg aller gegen alle). Letzteres gilt für den sog. Naturzustand und ergibt sich aus dem erstern. Jedem Schüler, der in der 12 Jahrgangsstufe mal einen Grundkurs Philosophie belegt hat, sind diese Dinge bekannt, und er weiß auch, dass Hobbes auf Grund der politischen Wirren seiner Zeit für einen starken Souverän, sprich Monarchen, plädierte und, als Charles I. dann seinen Kopf verlor und Oliver Cromwell an die Macht kam, dafür plädierte, sich dem kronenlosen Souverän zu unterwerfen. Womit wir beim Thema des neuen, spannenden Romans von Robert Harris wären: Act of Oblivion.

Dieses Gesetz von 1660 sollte eigentlich einen Schlussstrich ziehen unter die Wirren der vergangenen 10 – 15 Jahre und der puritanischen Bevölkerung signalieren, dass man nun wieder vereint unter dem neuen König, Charles II, dem Sohn des alten, in die Zukunft schauen wollte. Viele Freunde Cromwells kamen daher aus ihren Löchern und rechneten mit einer Begnadigung. Sie hatten allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht, nämlich eine korrupte royalistische Elite, die, kaum an der Macht, sich einen Dreck darum scherte, was sie versprochen hatte und einen nach dem anderen Puritaner köpfte oder hängte. Man war kreativ in der Wahl der Mittel. Viele wurden zuerst gehängt, aber dann doch im letzten Augenblick wieder abgenommen. Dann wurden ihnen die Glieder abgeschnitten, die Därme rausgeholt, der Kopf abgeschlagen und der Rumpf in vier Teile geteilt, und das alles vor einer entsetzt-faszinierten Menge von Schaulustigen.

Harris schreibt nun einen Roman, der in dieser Zeit spielt. Warum? Es ist anzunehmen, dass ihn angesichts gegenwärtiger globaler Fanatisierung und Ideologisierung genau dieses Thema reizte. Und dabei auch die Frage: Wer sind die Guten, wer die Bösen? Der Böse in diesem Roman ist gewiss ein Gentleman namens Richard Nayler, die Guten Edward Whalley und William Goffe. So scheint es jedenfalls zunächst. Nayler ist so etwas wie ein selbsternannter Sonderermittler, der im Auftrag der Regierung Charles II. die letzten flüchtigen Königsmörder verfolgt, sprich diejenigen, die das Todesurteil gegen Charles I. unterschrieben hatten. Sein Antrieb ist dabei eine Mischung aus persönlicher Rache und politischer Ideologie. Die letzten verbliebenen “Königsmörder” sind die oben genannten. Während nun Nayler eine vom Autor frei erfundene Figur ist, hat es Whalley und Goffe tatsächlich gegeben, und diese sind im Jahre 1660 tatsächlich nach Neuengland geflohen und dort bei diversen Puritanern, teilweise echten religiösen Fanatikern, untergekommen.

Es ist hohe Romankunst, wie Harris die historisch belegten, aber auch den “unbelegten” Nayler zum Leben erweckt. Wir erfahren nicht nur Anschauliches über beruflich-polische Lebensläufe, also z.B. über grausame Gemetzel, Intrigen und das Leben der meist puritanischen Siedler in Massachusetts und Connecticut, sondern auch höchst intime persönliche Nöte der Personen dieser Zeit. Das ganze wird historisch garniert mit Erwähnungen solch einschneidener Ereignisse wie das große Feuer in London, die Eroberung New Amsterdams durch die Engländer oder Erwartung des Jüngsten Tages im Jahre 1666, an die viele radikale Puritaner glaubten. Und solche historischen Großereignisse sind wiederum garniert mit pikanten Details. So wird beispielsweise in einem frühen Kapitel erwähnt, dass der Duke of York, der jüngere Bruder Charles II., eine absolut unpolitsche Person war, dem an nichts anderem lag als Völlerei und Hurerei (Was Prinz Charles telefonische Turteileien mit seiner Geliebten Camilla angeht, so sind das Kindereien gegenüber dem, was unter Charles II abging…). York ist offenbar Befehlshaber der Flotte, die New Amsterdam erobert, was der Krone 30.000 Pfund im Jahr einbrachte und der Stadt einen neuen Namen. Doch auch die Gegenseite wird nicht geschont. Es wird entlarvt, dass einer der fanatischten Puritaner, der Reverend John Davenport, sich einen Tripper zugezogen hatte, was immerhin ein Grund für seinen religiösen Eifer sein könnte.

Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass am Ende das Böse verliert und das Gute gewonnen haben könnte… Aber der alte Whalley vetraut seinem Tagebuch auch an, dass er die Einsicht gwonnen hat und von ihr geradezu überrascht worden ist, dass beide, die Guten und die Bösen, immer zu 100 % geglaubt haben, dass sie im Recht sind.

Womit wir bei Charles III. sind, der wohl felsenfest davon überzeugt ist, dass Waffenlieferungen in die Ukraine das Richtige sind. Während Putin ihn wohl für einen verkappten Faschisten hält. Allein, so ganz stimmt dieser Vergleich wohl nicht in Zeiten, in denen Ideologie durch Zynismus und Propagandismus ersetzt worden ist.

Im Kleinen jedoch scheint sich Geschichte eins zu eins zu wiederholen. Im ersten Kapitel wird beschrieben, wie die beiden flüchtigen “Königsmörder” in ihrer “Gastfamilie” in Cambridge ankommen. Daniel Gookin, Puritaner aus Cambridge, hat sie aus England “mitgebracht”, um sie vor Verfolgung zu schützen. Seine Frau Mary ist aber ein wenig skeptisch und fragt ihren Mann, nachdem sie sich zurückgezogen haben:

“And where are we to put them, Daniel?…”
“The boys can give up their beds and sleep downstairs.”
“How long are they to stay?”
“As long as it is necessary.”
“What ist that? A day? A month? A year?”
“I cannot say.”

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Onkelchen, mein Onkelchen

Michael Ostrowski, Der Onkel. Rowohlt, Hamburg 2022

„Wozu brauche ich Beine, wenn ich fliegen kann?“ – „Zum Landen.“

Dieser späte Witz (auf Seite 315) ist zumindest EIN Schlüssel zum Verständnis dessen, was Michael Ostrowski ausmacht, zum Verständnis also auch dessen, was den Grundton seines Romans angeht. Der Witz fliegt nämlich selber wie ein Albatros und landet auch wie einer, nach einem wahren metaphysisch angehauchten Flug, voller Mut und Selbstgewissheit, kommt die Landung: Stolpernd, watschelnd, einfach zum Lachen. Aber man lacht ja nicht über den Vogel, sondern ist irgendwie dankbar für diese lustige Darbietung.

Im Grunde ist das ja auch das Prinzip der Eberhoferkrimi-Reihe mit Sebastian Bezzel und Simon Schwarz in Hauptrollen, dieser „urbayrische Klamauk“ (Prisma), in dem Michael Ostrowki fast unerkannt den Pathologen spielt, und aus dem er Simon Schwarz (hier Privatdetektiv) ausgewählt hat, um in der Verfilmung seines Romans den Nachbarn des „Onkels“ zu spielen, einen Polizisten, dem Widerwärtiges widerfährt und der gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Mehr will ich dazu nicht verraten. 

Wenn Schauspieler anfangen, Bücher zu schreiben (meist Biografisches, Egoerbauliches), denkt man oft: Oh Schuster… – Bei Michael Ostrowski ist es umgekehrt. Hat man sein erstes und bisher einziges Buch gelesen, denkt man; Komm mal runter von der Bühne (oder vergiss doch diese Krimi-Reihen; in der Reihe „Ein Krimi aus Passau“ spielt der den Privatdetektiv Ferdinand Zankl) und schreib uns mal wieder was!

Mehr zu diesem phantastischen Buch unter Reflexe und Reflexionen.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Schon wieder wandert jemand nach Italien

Willi Winkler: Herbstlicht. Eine Wanderung nach Italien (November 2022)

Wer ist Willi Winkler?

„Willi Winkler ist ein deutscher Journalist, Übersetzer, Autor und Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung.“ (Wikipedia)

Was hat mich veranlasst, ein Buch von Willi Winkler zu kaufen?

Willi Winkler kommt in der Süddeutschen Zeitung oft zum Zuge, wenn etwas ausgefallenere Themen zu bewältigen sind, solche über den Rand der Gesellschaft oder auch die Kanten der Kultur. Dabei verfährt er immer recht kenntnisreich und überrascht dabei immer mit frischen, unverbrauchten oder nie gebrauchten Formulierungen. 

Bei letzterem kommt ihm dabei wahrscheinlich zugute, dass der Gegenstand, über den er schreibt, geradezu die Herausforderung zu einem solch kreativen Zugang darstellt.

Was aber ist, wenn er über Dinge schreibt, die eigentlich langweilig sind? Zum Beispiel über einen Fußmarsch von Wittenberg nach Mailand, bei dem einem ja naturgemäß nur alltägliche Dinge begegnen, die das Leben ausmachen, und die dabei ja extrem kontingent sind in ihrer zeitlichen Folge?

Willi Winkler scheint dabei ganz auf die Macht seines gewohnten Sprachstils und auf die Wirkung von detailliert präsentierten kulturellen Begebenheiten zu vertrauen. Ersteres verspricht dem Leser eine gewisse Freude, ein Wohlbehagen, weil ihm die schönen Wörter nicht auf der Zunge, sondern quasi im Ohr zergehen, letzteres nötig ihm eine gewisse Bewunderung ab und führt schließlich zu einem kleinen Stolz, teilhaben zu können an so viel Schönem und Interessantem…

Ich kann es kurz machen. Willi Winkler bricht im Herbst 2020 oder 2021 von Wittenberg auf, um zu Fuß durch Deutschland (also Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern), über die Alpen und bis Mailand zu gehen. „Italien war zuerst kaum mehr als ein Gedanke, eine spinnerte Idee, der Wunsch, an Ort und Stelle aufzubrechen und loszugehen. Wohin? Einfach nach Süden und möglichst weit. In Italien müsste man jetzt sein, aber wie kommt man dahin? Fahren kann jeder Depp, und jeder zweite tut es auch.“ Aber gehen sei etwas ganz anderes. Es sei langweilig, habe keine Höhepunkte, sagt der Autor. Goethe sei natürlich mit einer Kutsche nach Italien gereist, dieses Vorbild aller akademisierten Italienfahrer. „Also gehen, fortgehen, immer weitergehen.“ So beschließt es der Autor.

Warum also diese Wanderung? Warum er dieses Buch schreibt ist klar. Willi Winkler wollte natürlich aus diesen 1 ½ Monaten Tätigkeit Kapital schlagen. Aber warum er 1.300 km zu Fuß bis nach Mailand geht, wird aus dem, was wir vom Autor erfahren, nicht ganz klar. Er sagt als Erstes: „Italien!“ Tut das als „spinnerte Idee“ ab und fragt „Wohin?“. Dann sagt er „nach Süden“ und „weit weg“. Wer „weit weg“ will, fürchtet sich vor dem „Hier“. Also ist hier nichts anderes als eine Flucht geplant. Und bei der Frage des Wohin fällt ihm sogleich Italien ein, ein Ort zum Wohlfühlen, wenn man sich wie Goethe von einer Frau (von Stein) bedrängt fühlt. 

Halten wir also fest: Willi Winkler will abhauen, weil er Probleme mit einer Frau hat. Er wählt als Ziel der Flucht Italien, weil es da geliebte literarische Präzedenzfälle gibt. Und er geht zu Fuß, weil er sich mit seinen 65 Jahren noch etwas beweisen will (“Fahren kann jeder Depp”). (Was den Schluss nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei seiner Rückkehr von diesem Alpenspaziergang eine junge Geliebte in München auf ihn wartet… Oder eine Vulpius?)

Ich werde demnächst ein paar weitere Lesefrüchte dieses Buches unter „Reflexe und Reflexionen“ ausbreiten.

Ist inzwischen passiert: https://wp.me/P24xNR-5m

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

“Philosophieren heißt sterben lernen”

Dies ist einer der klugen Sätze, die von Michel de Montaigne (1533 – 1592) stammen, dem Erfinder des Essays, wie manche meinen. Der Journalist Nils Minkmar hat diesem Vorläufer der Aufklärung (… betont die Vernunft, aber auch deren Grenzen…) nun einen Roman gewidmet.

Nils Minkmar: Montaignes Katze. S. Fischer, Frankfurt 2022

Nils Minkmar macht keinen Hehl aus seiner Verehrung für Michel de Montaignes Essais, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschrieben wurden und eine Fülle von ethischen und sonstigen Betrachtungen enthalten, ohne roten Faden, wie es gelegentlich heißt, in denen es also wie Kraut und Rüben durcheinander geht, deren Geschlossenheit nach dem Urteil mancher Gelehrter aber aus der gedanklichen Klarheit des Autors resultieren soll. Ich frage mich allerdings, wie das gehen soll.

Klick mich!

Nils Minkmar macht allerdings einen großen Hehl daraus, warum er diesen Roman, der ausschließlich im Jahre 1584 spielt, nach Montaignes Katze benennt, die nur sehr am Rande in der Erzählung Erwähnung findet. Ich habe dabei natürlich sofort an Schrödingers Katze gedacht, und zwischen den beiden Begriffen spinnt sich tatsächlich ein roter Faden, denn Schrödingers Beitrag zur Quantenphysik sind ebenso clever wie Montaignes kluge Aphorismen. Nils Minkmar verrät allerdings in einem Interview des „Domradios“, er habe diesen Katzentitel nicht zuletzt deshalb gewählt, weil Katzen für ihn und auch für Montaigne für privates Glück stehen, für ein gemütliches Zuhause und allgemein für irdisches Glück. Wenn ich meine beiden Kater Aladin und Adonis betrachte, wie sie da friedlich beisammen und ineinander gerollt in der Sofaecke liegen, dann kann ich nicht anders als diese Wertschätzung vorbehaltlos zu zu teilen…

Bitte weiterlesen unter Reflexe und Reflexionen.

Hier ist übrigens eine Art rekursive Bildgeschichte mit meinen Katern zu besichtigen…

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Ist “Spitzweg” wirklich lesenswert?

Ich habe noch einmal nachgedacht. Und teile Folgendes mit:

Die Antwort hängt allein vom Leser ab. Wer einen Roman lesen will, wird enttäuscht sein. Wer sich für Kunst interessiert, kann begeistert sein.Wer jedoch von diesem Buch erwartet, in einen Künstlerroman eintauchen zu können, in so eine Art Adrian-Leverkühn-Geschichte der modernen Kunst oder der Kunst überhaupt, der wird aufs Tiefste enttäuscht werden. Um es direkt und ohne Schnörkel zu sagen: Der Autor missbraucht seinen Erzähler, der übrigens namenlos bleibt, um seine ureigensten Vorlieben an den Mann zu bringen. Die Romangestalten, angehende Abiturienten, lassen sich über dies und jenes aus, über die Kunst, die Musik, die Literatur, als ob sie von all dem eine Ahnung hätten. Die Ahnung aber hat – der Autor. Der einen ungebändigten Drang zum Bombastischen hat. Das äußert sich in den hyperbolischen Ergüssen über Kunst.

Wenn ich das wohlwollend oder einfach auch nur vorsichtig als mögliche Satire bezeichnet habe, so ziehe ich diese Einschätzung hiermit zurück. Der Autor ist ein Ästhet, ein ziemlich humorloser Ästhet, dem zwar hier und da im Buch ein paar prägnante Formulierungen gelingen, was aber alles verkleinert wird, da er sich in so vielen großbedeutenden Formulierungen verliert. Warum, zum Teufel, sagt Eckhart Nickel in einem Interview/Podcast der FAZ wiederholt auf eine Frage, die er mit “ja” beantworten könnte: “ABSOLUT!”? Ein “Ja” reicht ihm nicht. Er will das Besondere, das Einmalige, das Abnormale, das Große, das Absolute.

Auf dem hinteren Bucheinband ist ein Bild von ihm, auf dem er sich die Haare kämmt und dabei offenbar in den Spiegel schaut. Im Buch wird über Egomanie reflektiert. Und darüber, dass die einzig wahre Liebe die Selbstliebe sei. Selten hat ein Autor sich über seine Figuren so rückhaltlos offenbart.

Das Bild ist urheberrechtlich geschützt. Aber es gelangte hier zufällig in den Bildbereich meiner Fotografie dieser kostbaren Davidoff-Zigarre…

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches, Zigarren

Ist “Spitzweg” wirklich ein Roman?

Eckhart Nickel: Spitzweg. Piper, München 2022

Eckhart Nickel lässt seinen etwa 17-jährigen Ich-Erzähler als erstes verkünden: „Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht.“

In diesem ersten Satz des neuen Buches von Eckart Nickel deutet sich die Schwierigkeit an, in die der Autor mit diesem „Roman“ geraten ist. Die Geschichte ist aus der Sicht eines jungen Schülers geschrieben, enthält indes eine sich aufdrängende Fülle von kunsthistorischen, musikhistorischen und literarischen Mosaiksteinen, die der Autor, nicht der Erzähler an den Mann bringen will.

Um nicht zu protzsüchtig zu erscheinen (davon legt auch die geradezu bescheidene, große Ansprüche abwehrende Eingangsbemerkung Zeugnis ab), aber dennoch auf die Absicht, Großes aus dem Universum der Kunst kundzutun, nicht verzichten wollend, wird dem eher normal erscheinenden Erzähler (der sogar darunter leidet, dass er ganz normale Eltern hat) eine zweite Handlungsfigur an die Seite gestellt, die es in sich hat:

„Was Carl auch äußerte war wohlüberlegt und bedeutungsvoll formuliert. Ich war wie geblendet von der Allgegenwart seiner Gedanken, die nicht nur wie das geschriebene Wort klangen, sondern genug Sinn ergaben, um aus einem schlauen Buch stammen zu können. Weil ich nie zuvor einen Menschen so hatte reden hören, wurde mir allein von dem Versuch, seinen Ausführungen zu folgen, schwindlig. Fast schien es, als verfolge er mit jedem Wort, das er sagte, ein Ziel, auf das alles hinauslief, dessen Umrisse für mich jedoch umso weiter in einem dichter werdenden Nebel verschwanden, je länger ich über sie nachzusinnen imstande war.“

Hätte der Erzähler nicht auch etwas einfacher sagen können: „Carl sprach so druckreif, dass mir fast schwindlig wurde und ich manchmal Probleme hatte, seinen mündlich vorgetragenen Worten zu folgen.“? Der Erzähler spricht also elaborierter als ihm ansteht, wenn er z.B. so wegwerfend von „schlauen Büchern“ spricht. Eifert er bloß Carl nach, da er in dessen Sog geraten ist? Ist das Buch vielleicht sogar als Satire auf all die kulturkackenden Schönredner unserer Zeit und der Vergangenheit zu verstehen?

Bitte weiterlesen bei “Reflexe und Reflexionen”!

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches

Causa Humana

Ernst Tugendhat

Wenn ich mich recht erinnere, dann ist dieses Bild erschienen zu einem Zeitungsartikel, den Christian Geyer (Freiburg) anlässlich des 90. Geburtstags von Ernst Tugendhat veröffentlicht hat. Ich verlinke seinen Artikel und hoffe, er nimmt es mir nicht übel, wenn ich das Bild hier nicht zuletzt als “teaser” für seinen Artikel einfüge…

Die kurze Besprechung eines der Bücher von Ernst Tugendhat, das ich neulich wieder gelesen habe, könnte mit “Causa Humana” überschrieben werden. Und hier geht es zu einer weiteren Causa Humana!

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen

Sich einen Namen machen

“Man muß es nur nötiger haben als andere, dann macht man sich bei der Menschheit einen Namen.”

(Thomas Mann: Der Erwählte. S.Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1956, p. 271)

Hier kann man etwas mehr über dieses sehr witzige Buch erfahren.

In diesem auch etwas über die Unterschiede von Mann und Frau:

“Herrlich”, antwortete er ihr, “bist du, Sibylla, ganz von selbst und ohne Buhurd (Kampfturnier)! Mein Geschlecht, das muß sich regen und etwas tun, um herrlich zu sein. Mit deinem darf man nur sein und blühen und ist schon herrlich. Das ist der allgemeinste Unterschied zwischen Mann und Weib, von genauerem abgesehen.”

Ich bin mir nicht sicher, ob der Erzähler, ein mönchiches Schlitzohr in Sankt Gallen, wirklich von Genauerem abgesehen hat…

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Reflexe und Reflexionen, Zeitliches