Hamlet stirbt zuletzt

Ja, sie lassen ihn in der neuen Hamletinszenierung im Saarbrücker Staatstheater zuletzt doch noch sterben, obwohl er so unsterblich gut gespielt wurde und die Inszenierung für jede Überraschung gut war.

Die Inszenierung basiert auf dem Prinzip der Steigerung. Am Anfang wirken alle Schauspieler fade, wie sie da nebeneinander aufgestellt sind und nichts sagen. Am Ende sind alle über sich hinausgewachsen. Polonius, von einer Frau gespielt, die in jedem Politkrimi der Gegenwart so auftreten könnte: als intrigante Staatssekretärin; Rosenkranz, der zwischen den Fronten hin- und hergerissen wird und am Ende ja zerrissen wird. Ophelia, die zunächst verloren scheint im Wahnsinnsgebaren Hamlets, dann aber im Tod über sich hinauswächst: Sie wird von Claudius und Gertrud von der Bühne gerollt, nachdem sie sich ertränkt hat, was aber etwas schwierig ist, weil sie immer wieder über ihren schwangeren Bauch hinweggedrückt werden muss. Also Ophelia schwanger. Und Hamlet?

Der sitzt oft im Hintergrund der Bühne und spricht in seine Handyvideocamera. Man sieht das dann als Zuschauer auf großen Vorhängen rechts und links auf der Bühne. Eine grandiose Anspielung auf die Tiktokisierung unseres Alltags.

Der zieht im dritten Akt dann aber auch Hose und Unterhose aus und rennt dann unten ohne rum. Das könnte ein Symbol sein für sein existentielles Ausgeliefertsein, seine absolute Verletzlichkeit.

Die beiden neben mir sitzenden alten Damen sahen das wahrscheinlich anders. Sie ließen sich im Chor vernehmen mit einem gehauchten “Ach Gott!”. Was klang da nicht alles mit: Erstaunen, Verwunderung, Überraschung, alte Erinnerungen tauchten da wohl wieder auf. Entrüstung klang da nicht mit. Wir sind alle im 21. Jahrhundert angekommen.

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Der Hahn ist tot

der Hahn ist tot! Zu viele Hähnchen müssen sterben, weil sie nun mal keine Eier legen, viele Millionen.

Schwenk.

Erinnert Ihr Euch, in China wurden vor nicht mal 10 Jahren noch viele Frauenleben vernichtet, wie es in den Medien hieß. Denn gemäß dieser Ein-Kind-Politik waren weibliche Föten nicht erwünscht.

In Deutschland gibt es aber nach wie vor viele Millionen verhinderter Hähnchenleben.

Nun gibt es Gottseidank in Baden-Württemberg diese Huhn & Hahn – Initiative, die dafür Sorge trägt, dass auch die männlichen Küken überleben. Auf der (allerdings saarländischen) Eier-Packung steht: “Aufzucht von männlichen Küken!” Als ich das las, habe ich tatsächlich als Erstes gedacht: Jetzt züchten die wohl Hähne, die Eier legen! Wie machen die das wohl? Etwa mit Hilfe der KI? Denn der ist ja bekanntlich alles zuzutrauen.

Als ich dann zu Hause die Eier aus der Packung nahm und im Kühlschrank in diese Plastikschale mit den 10 halbkugelförmigen Vertiefungen legte, ist mir allerdings aufgefallen, dass die Eier eigentlich wie immer aussahen. Da dämmerte mir: Hier waren also doch Hühner im Spiel.

Aber mir dämmerte zugleich, dass ich heute eine wirklich gute Tat getan hatte, indem ich diese Eier kaufte und nicht solche aus einer Freilandhaltung, bei der im Stall nebenan laufend Hähnchen umgebracht werden. Und mir wurde bewusst, dass ich hier in bester Gesellschaft bin, etwa mit den NGOs, die sich in China dafür einsetzen, dass endlich wieder mehr Frauen geboren werden.

Eines stört mich an der Sache aber. Ich tanze ein wenig aus der Reihe, da sich hier bei uns doch die Mehrzahl der Gutmenschen eher für MÄDCHENrechte engagieren, also für die Chicks…

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Posieren

Es hat fünfzehn Jahre gedauert,

bis meine Katze

diese Pose draufhatte.

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Transzendenz der Technik

Giuliano da Empoli: Der Magier im Kreml. Beck, München 2023

Empolis Roman wird als “Buch der Stunde” bezeichnet, durch das man bisher nicht erreichte Einsichten über das “System Putin” gewinne. Ich muss gestehen, dass eine solche Einschätzung für mich ein Teil der Motivation gewesen ist, mir dieses Buch zu kaufen. Nun, da ich es fast ohne beiseite zu legen gelesen habe, steht für mich fest: Es handelt sich hier um einen hervorragend konzipierten und erzählerisch äußerst souveränen, auch poetisch anspruchsvollen Roman, der strukturell in etwa so aufgebaut ist wie ein anderes aktuelles Buch, “Act of Olivion”, nämlich so, dass historisch weitgehend abgesicherte Fakten (Das gilt allerdings nur begrenzt für den Magier; s.u..) dadurch spannend aufbereitet werden, dass sie um einen fiktionalen Kern als deren Brennpunkt angeordnet werden. In beiden Fällen handelt es sich um eine als Person erfundene Figur, hier um einen Mann namens Wadim Baranow, der wegen einer zentralen Position im Kreml, nämlich als Putins wichtigster Spindoctor, Zugang zu allen möglichen Leuten und Ereignissen hat. 

Die Besprechung einiger Aspekte dieses Buches ist unter Reflexe und Reflexionen zu finden. Hier möge als Ergänzung hinzugefügt werden: Das erste Kapitel dient der theoretischen Einstimmung auf das, was der “Magier” dem Erzähler in den folgenden Kapiteln zu sagen hat. Dass es zu einer solchen Begegnung von Erzähler und Magier kommt, ist dem gemeinsamen Interesse an einem Autor des frühen 20. Jahrhunderts zu verdanken, Jewgeni Samjatin, der einen Roman mit dem Titel Wir geschrieben hat, in dem er, wie er selber glaubte, sich kritisch mit dem im Aufbau befindlichen Sowjetsystems befasste. In Wirklichkeit, so die These des Erzählers, hat er viel mehr im Visier gehabt, nämlich die Systeme aller künftigen Diktatoren, mögen sie Marc Zuckerberg oder Xi Jinping heißen. Samjatin beschreibt eine Art globaler Matrix von Algorithmen, die sich nie irren, von der unsere primitiven Gehirne überrannt werden. Ja, das klingt nicht nur dystopisch, das ist die finale Dystopie. Samjatin hat also ein Jahrhundert übersprungen und beschreibt – unsere Gegenwart! Und was der Magier dem Erzählter nun im Verlaufe des Romans darlegt, ist nichts anderes als der Beweis dafür, dass Samjatins “Utopie” nichts anderes ist als eine genaue Analyse des 21. Jahrhunderts. Um die Apokalypse zu verhindern, also eine Welt jenseits der Algorithmen, die Chaos und damit Untergang bedeutet, ist jedes Mittel recht, ist jede Macht gerechtfertigt. Ereignisse wie der Ausbruch eines neuen Virus oder der Anschlag auf ein Atomkraftwerk bedrohen die Existenz der Menschheit. Also werden die Menschen ein Interesse daran haben, eine Macht zu etablieren, die solche Ereignisse verhindert. Und da Ereignissen nicht auf die Stirn geschrieben ist, ob sie gut oder schlecht sind, geht es darum, Ereignisse überhaupt zu verhindern. The Big Freeze.

Wenn nun nach solchen Mitteilungen die kleine Tochter Baranows am Ende des Besuchs des Erzählers im Zimmer auftaucht und der Vater dahinschmilzt und sagt, seine Tochter übe eine stärkere Macht auf ihn aus als alle Diktatoren der Welt es jemals vermögen könnten, dann gibt das dem Roman doch noch ein versöhnliches Ende, dessen Message sein könnte: Die da draußen können zwar unser Leben bedrohen und vernichten, aber sie können nicht verhindern, dass wir das Leben lieben. Und dass wir diese Liebe an die nächste Generation weitergeben.

Die Kraft, die das ukrainische Volk aufbringt, dem russischen Aggressor zu trotzen, ist ein Ausdruck eben dieser Liebe zum Leben.

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Charles eins zwei drei

Von Thomas Hobbes stammen so markante Sprüche wie homo homini lupus (Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) und bellum omnium contra omnes (Krieg aller gegen alle). Letzteres gilt für den sog. Naturzustand und ergibt sich aus dem erstern. Jedem Schüler, der in der 12 Jahrgangsstufe mal einen Grundkurs Philosophie belegt hat, sind diese Dinge bekannt, und er weiß auch, dass Hobbes auf Grund der politischen Wirren seiner Zeit für einen starken Souverän, sprich Monarchen, plädierte und, als Charles I. dann seinen Kopf verlor und Oliver Cromwell an die Macht kam, dafür plädierte, sich dem kronenlosen Souverän zu unterwerfen. Womit wir beim Thema des neuen, spannenden Romans von Robert Harris wären: Act of Oblivion.

Dieses Gesetz von 1660 sollte eigentlich einen Schlussstrich ziehen unter die Wirren der vergangenen 10 – 15 Jahre und der puritanischen Bevölkerung signalieren, dass man nun wieder vereint unter dem neuen König, Charles II, dem Sohn des alten, in die Zukunft schauen wollte. Viele Freunde Cromwells kamen daher aus ihren Löchern und rechneten mit einer Begnadigung. Sie hatten allerdings die Rechnung ohne den Wirt gemacht, nämlich eine korrupte royalistische Elite, die, kaum an der Macht, sich einen Dreck darum scherte, was sie versprochen hatte und einen nach dem anderen Puritaner köpfte oder hängte. Man war kreativ in der Wahl der Mittel. Viele wurden zuerst gehängt, aber dann doch im letzten Augenblick wieder abgenommen. Dann wurden ihnen die Glieder abgeschnitten, die Därme rausgeholt, der Kopf abgeschlagen und der Rumpf in vier Teile geteilt, und das alles vor einer entsetzt-faszinierten Menge von Schaulustigen.

Harris schreibt nun einen Roman, der in dieser Zeit spielt. Warum? Es ist anzunehmen, dass ihn angesichts gegenwärtiger globaler Fanatisierung und Ideologisierung genau dieses Thema reizte. Und dabei auch die Frage: Wer sind die Guten, wer die Bösen? Der Böse in diesem Roman ist gewiss ein Gentleman namens Richard Nayler, die Guten Edward Whalley und William Goffe. So scheint es jedenfalls zunächst. Nayler ist so etwas wie ein selbsternannter Sonderermittler, der im Auftrag der Regierung Charles II. die letzten flüchtigen Königsmörder verfolgt, sprich diejenigen, die das Todesurteil gegen Charles I. unterschrieben hatten. Sein Antrieb ist dabei eine Mischung aus persönlicher Rache und politischer Ideologie. Die letzten verbliebenen “Königsmörder” sind die oben genannten. Während nun Nayler eine vom Autor frei erfundene Figur ist, hat es Whalley und Goffe tatsächlich gegeben, und diese sind im Jahre 1660 tatsächlich nach Neuengland geflohen und dort bei diversen Puritanern, teilweise echten religiösen Fanatikern, untergekommen.

Es ist hohe Romankunst, wie Harris die historisch belegten, aber auch den “unbelegten” Nayler zum Leben erweckt. Wir erfahren nicht nur Anschauliches über beruflich-polische Lebensläufe, also z.B. über grausame Gemetzel, Intrigen und das Leben der meist puritanischen Siedler in Massachusetts und Connecticut, sondern auch höchst intime persönliche Nöte der Personen dieser Zeit. Das ganze wird historisch garniert mit Erwähnungen solch einschneidener Ereignisse wie das große Feuer in London, die Eroberung New Amsterdams durch die Engländer oder Erwartung des Jüngsten Tages im Jahre 1666, an die viele radikale Puritaner glaubten. Und solche historischen Großereignisse sind wiederum garniert mit pikanten Details. So wird beispielsweise in einem frühen Kapitel erwähnt, dass der Duke of York, der jüngere Bruder Charles II., eine absolut unpolitsche Person war, dem an nichts anderem lag als Völlerei und Hurerei (Was Prinz Charles telefonische Turteileien mit seiner Geliebten Camilla angeht, so sind das Kindereien gegenüber dem, was unter Charles II abging…). York ist offenbar Befehlshaber der Flotte, die New Amsterdam erobert, was der Krone 30.000 Pfund im Jahr einbrachte und der Stadt einen neuen Namen. Doch auch die Gegenseite wird nicht geschont. Es wird entlarvt, dass einer der fanatischten Puritaner, der Reverend John Davenport, sich einen Tripper zugezogen hatte, was immerhin ein Grund für seinen religiösen Eifer sein könnte.

Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass am Ende das Böse verliert und das Gute gewonnen haben könnte… Aber der alte Whalley vetraut seinem Tagebuch auch an, dass er die Einsicht gwonnen hat und von ihr geradezu überrascht worden ist, dass beide, die Guten und die Bösen, immer zu 100 % geglaubt haben, dass sie im Recht sind.

Womit wir bei Charles III. sind, der wohl felsenfest davon überzeugt ist, dass Waffenlieferungen in die Ukraine das Richtige sind. Während Putin ihn wohl für einen verkappten Faschisten hält. Allein, so ganz stimmt dieser Vergleich wohl nicht in Zeiten, in denen Ideologie durch Zynismus und Propagandismus ersetzt worden ist.

Im Kleinen jedoch scheint sich Geschichte eins zu eins zu wiederholen. Im ersten Kapitel wird beschrieben, wie die beiden flüchtigen “Königsmörder” in ihrer “Gastfamilie” in Cambridge ankommen. Daniel Gookin, Puritaner aus Cambridge, hat sie aus England “mitgebracht”, um sie vor Verfolgung zu schützen. Seine Frau Mary ist aber ein wenig skeptisch und fragt ihren Mann, nachdem sie sich zurückgezogen haben:

“And where are we to put them, Daniel?…”
“The boys can give up their beds and sleep downstairs.”
“How long are they to stay?”
“As long as it is necessary.”
“What ist that? A day? A month? A year?”
“I cannot say.”

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Was Frauen so sagen

(Kleines Lehrstück über die Tücken des Genderns)

Neulich war ich wieder bei meinem Lieblingsitaliener, ich war bereits beim Nachtisch, das Restaurant hatte sich schon fast geleert, da kam noch ein neuer Gast, nennen wir ihn Engelbert. Ein junge Hündin, so der Typ Jagdhund, nennen wir sie Annika, war dabei, an einer roten Leine, versteht sich. Ich war dermaßen mit meinem Nocino beschäftigt, dass ich dieser späten Neuerscheinung normalerweise keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte, wäre da nicht diese raschelnde Mantelbewegung gewesen, die andauerte. Ich schaute also auf und sah, dass Engelbert die Annika in seinen Mantel wickelte, sie also neben seinem Stuhl verstaute und regelrecht einpackte, bevor er für eine eigene Sitzgelegenheit sorgte. Was mich veranlasste, halblaut zu bemerken:

“Bei Ihnen möchte man Hund sein!”

Engelbert reagierte darauf mit den Worten:

“Das sagen die Frauen auch immer!”

und wandte sich sofort der Speisekarte zu, die ihm sehr schnell zugestellt worden war, da es ja schon spät war und der Koch bereits im Mantel in der Tür gestanden hatte. Ich hatte also keine Gelegenheit nachzufragen, ob ich ihn recht verstanden hatte, denn ich glaubte, mich verhört zu haben.

Ich habe dann noch lange bei meinem Nusseis mit Likör gesessen, danach noch einen Espresso mit einem Grappa Amarone getrunken und darüber nachgedacht, wie Engelbert das gemeint haben könnte, während der am Nebentisch seine Speise genoss, auch den Rosé, und dann noch zwei Espressi, und dem Gebabbel gelauscht, das er mit Hilfe seiner AirPods in die Welt sandte, Sätze, in denen die Wörter “Bürgermeister”, Abgeordneter” und “Pseudoliberaler” immer wieder vorkamen.

Und mich gefragt:

“Was antwortet der wohl den Frauen , die ihm dauernd sagen, dass sie bei ihm Hündin sein wollen?”

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Problem erkannt?

Nun hat sich also gemäß meiner Frage nach der „moralischen Integrität“ der KI (siehe Beitrag zu ChatGPT) der deutsche Ethikrat des Problems angenommen.

Aber die Frage müsste ja doch viel früher ansetzen, nämlich bei der nach der moralischen Integrität von Bloggern, die Fake News verbreiten, sich dabei unschuldig hinter ihrem Blog verschanzen und darauf warten, dass die Follower ihnen alles abkaufen…

Wie abgefahren ist das denn, Herr Nida-Rümelin, Frau Simon und Frau Buyx? Ihr habt uns ja in der Corona-Krise ganz gut beraten. Aber Ihr solltet Euch mal schnell um die moralische Integrität der NT (Natürliche Intelligenz) kümmern!

So, soviel Selbstkritik musste mal sein…

Post Skriptum:

Folgendes ist ein Zitat aus der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung:

Herr Kapoor, Sie beschäftigen sich seit Langem mit KI. Was war Ihre erste Reaktion, als Chat-GPT aufgetaucht ist?

Sayash Kapoor: … Chat-GPT wird benutzt, um Bullshit zu automatisieren. Der Philosoph Harry Frankfurt hat Bullshit definiert als die Fähigkeit, zu überzeugen, ohne sich um die Wahrheit zu scheren. Ähnlich ist es mit Chat-GPT. Viele der Text-Outputs des Chatbots sind sehr überzeugend, und das ist das Problem. Denn wir haben unser ganzes Leben lang gelernt, Dinge aufgrund ihrer Form und ihres Inhalts zu beurteilen. Aber bei Chat-GPT können wir uns nicht mehr auf die Form eines Textes verlassen, um zu beurteilen, ob sein Inhalt gut ist.“

In diesem Interview wird auch erwähnt, dass die Redaktion einer Zeitschrift für Sciencefiction die Zusendung von Beiträgen stoppen musste, da sie nicht mehr unterscheiden konnte zwischen mensch- und maschinengemachten Storys. Ich halte eine solche Fokussierung in der gegenwärtigen Situation für falsch, da sie von der Tatsache ablenkt, dass wir selbst ohne KI und auch vor KI schon sehr oft Lüge nicht von Wahrheit unterscheiden können, da die Lügen in einer „Form“ daherkommen, die auch der Wahrheit eigen ist. Und es geht hierbei ja nicht nur um glasklare Wahr-falsch-Entscheidungen, sonder auch um die Frage, was fast 9 Millionen Influencer allein bei Instagram in einem Graubereich bewirken, den man als größte Manipulationswelle aller Zeiten betrachten kann.
Wir sind durch das Internet längst von einer gigantischen Flutwelle von Bits und Bytes bedroht, die unserer Freiheit in eben dem Maße gefährlich ist wie die drohenden realen Flutkatastrophen unserer physischen Existenz.

Die Katastrophen der Gegenwart nur ein kleines Vorspiel dessen, was wir nicht zu denken wagen? Hätte ich den Kleber, ich würde mich jetzt auf dieser Datenstraße festkleben. Oder ich könnte auch Bill Gates mit einer Apfelschorle zuschütten…

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ChatGPT klaut was gedruckt

Ich habe neulich von meinem Apple aus ChatGPT nach den Chancen befragt, dass die Bücher, die ich geschrieben habe, mich überleben. Wörtlich habe ich gefragt:

Werden meine Bücher auch in der Zukunft noch Leser finden?

Hier ist das Ergebnis:

Noch ehe sich an Dir die Würmer groß gefressen,
wird schon die ganze Welt Dich und Dein Buch vergessen.

Ich fand es jedenfalls erstaunlich, dass die KI wusste, welchen Computer ich benutze. Und fand es dennoch befremdlich, dass sie sich offenbar über mich lustig zu machen schien und einen Wurm mir die Zunge herausstrecken ließ.

Auf die Gefahr hin, mir ChatGPT zum Feind zu machen, will ich hier aber noch anmerken, dass diese KI offenbar vor Plagiaten nicht zurückschreckt. Denn ich habe herausgefunden, dass in der Süddeutschen Zeitung vom 13. März Willi Winkler in einem Artikel über Anna Louisa Karsch diese zitiert: “Noch ehe sich an mir die Würmer groß gefreßen,/wirt schon die gantze Welt, mich und mein Buch vergeßen.”

Soweit zur Kreativität von KI. Aber nun müssen wir uns Gedanken machen über deren moralische Integrität, oder?

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Zauberflöte und Iberico

Es gilt bei Zeitungsleuten als hohe Kunst, zwei Begriffe in einem Satz unterzubringen, die man so niemals vereint vermutet hätte. Hier also ein Bild, in dem zwei wesensferne Dinge vereint sind, eine Schallplatte von der “Zauberflöte” und eine Iberico, also eine spanische Salami.

Das Bild könnte indes völlig willkürlich zusammengestellt sein. Also was soll das?

Ich habe heute eine alte Schallplatte auf meinen alten Schallplattenspieler gelegt und meinen alten Ohren was Gutes getan. Wurde dann aber aus dem Genuss gerissen bei folgender Stelle (1. Akt, 8. Auftritt), an der TAMINO und PAPAGENO die DREI DAMEN nach dem Weg zur “Gralsburg” fragen. Das klang nämlich so:

TAMINO:
Doch, schöne Damen, saget an:
PAPAGENO:
Wie man die Wurst wohl binden kann.

Adrian, ich komme morgen ins Geschäft und mache meinen Hörtest!

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Fastenzeit

Jungfer Sein ist ja so etwas wie permanentes Fasten. Ich möchte mich daher zu Beginn der Fastenzeit mit diesem Thema beschäftigen.

Der Begriff oder das Wort „Jungfer“ sind allerdings ein bisschen aus der Mode gekommen. Das Wort ist ganz aus der Mode gekommen, die Jungfern aber so ziemlich auch. Wir sind halt alle dünnhäutiger als unsere Vorfahren. Einerseits. Und andererseits – wen schert das denn noch?

Aber interessant ist es trotzdem, sich einmal anzusehen, wie unsere Dichter und Denker mit diesem atavistischen Phänomen umgegangen sind. Und es wird sich herausstellen: Jeder auf seine typische Art und Weise!

Fangen wir an mit Friedrich Engels.

Die alte Jungfer, die in zivilisierten Ländern zumeist nur nominell vorkommt, ist in Deutschland allerdings ein bedeutender „sozialer Casus“.

Heißt: Es gibt in Frankreich, z.B., zwar Jungfrauen, aber nur auf dem Papier. In Deutschland aber denkt man an die Rente und sowas. Eine soziale Frage also.

Johann Wolfgang Goethe setzt das Thema dramatisch in Szene:

Jungfer! Ruf ich das Mädchen, ist, Jungfer, der Herr nicht zu Hause? Aber sie hört nicht, der Ruf schlägt ihr am Ohr nicht an.

Würde sie „nein“ antworten, käme das einer Aufforderung gleich, ins Haus zu kommen. Würde sie „ja“ antworten, bedeutete das, dass sie den Hintersinn der Frage sehr wohl verstanden hat, was sie aber nicht zugeben dürfte. Altmeister Goethe kennt sich mit (Jung-)Frauen aus und verordnet der Jungfer Schweigen.

Friedrich Schiller setzt das Thema pathetisch in Szene:

Reizende Fülle schwellt der Jungfrau schwellende Glieder;
Aber der Stolz bewacht streng wie der Gürtel den Reiz.

Es schwillt bei Schiller eine ganze Menge. Aber der Stolz ist das Moralin der schillerschen Kunde.

Weniger moralisch, als vielmehr lebenserfahren gibt sich dagegen Gotthold Ephraim Lessing.

Auf das Jungfernstift zu…

Denkt, wie gesund die Luft, wie rein
Sie um dies Jungfernstift muß sein!
Seit Menschen sich besinnen,
Starb keine Jungfer drinnen
.

Lessing kannte sich da wohl aus…

Auch der Mathematiker, Philosoph, Exzentiker Georg Christoph Lichtenberg hat sich den Jungfern gewidmet. Er hat das aber auf eine so clevere Weise gemacht, dass ich ihn leider nicht verstehe.

Jungfern, davon drei aufs Säkulum gehen.

Ich kapituliere, aber Ihr seid gewiss schlauer und könnt mir sagen, wie er das gemeint hat…

Anregungen und mehr zu diesem Post verdanke ich dem schönen Büchlein Der Lustgarten (Eulenspiegel Verlag Berlin 1989)

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