Hurra, es hat geschneit! Und wir geraten poetisch ins Schwärmen…

(Zum Vergrößern bitte auf die Bilder klicken!)

Da draußen klammert Schnee sich an den Zweigen.
Wie`’s drinnen ausschaut, will ich keinem zeigen.

Mein Stuhl, er wackelt nicht, er ist ja voll von Schnee.
Doch sitzen kann ich nicht, wenn ich es recht beseh’.

Die Maus, es scheint, sie macht jetzt ganz auf Irokesen-Punk.
Mich geht das gar nichts an, ich sitz’ am Ofen – Gottseidank.

Ein Hutmacher, das ist der Schnee:
Für jede Form das passende Toupet.

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Onkelchen, mein Onkelchen

Michael Ostrowski, Der Onkel. Rowohlt, Hamburg 2022

„Wozu brauche ich Beine, wenn ich fliegen kann?“ – „Zum Landen.“

Dieser späte Witz (auf Seite 315) ist zumindest EIN Schlüssel zum Verständnis dessen, was Michael Ostrowski ausmacht, zum Verständnis also auch dessen, was den Grundton seines Romans angeht. Der Witz fliegt nämlich selber wie ein Albatros und landet auch wie einer, nach einem wahren metaphysisch angehauchten Flug, voller Mut und Selbstgewissheit, kommt die Landung: Stolpernd, watschelnd, einfach zum Lachen. Aber man lacht ja nicht über den Vogel, sondern ist irgendwie dankbar für diese lustige Darbietung.

Im Grunde ist das ja auch das Prinzip der Eberhoferkrimi-Reihe mit Sebastian Bezzel und Simon Schwarz in Hauptrollen, dieser „urbayrische Klamauk“ (Prisma), in dem Michael Ostrowki fast unerkannt den Pathologen spielt, und aus dem er Simon Schwarz (hier Privatdetektiv) ausgewählt hat, um in der Verfilmung seines Romans den Nachbarn des „Onkels“ zu spielen, einen Polizisten, dem Widerwärtiges widerfährt und der gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Mehr will ich dazu nicht verraten. 

Wenn Schauspieler anfangen, Bücher zu schreiben (meist Biografisches, Egoerbauliches), denkt man oft: Oh Schuster… – Bei Michael Ostrowski ist es umgekehrt. Hat man sein erstes und bisher einziges Buch gelesen, denkt man; Komm mal runter von der Bühne (oder vergiss doch diese Krimi-Reihen; in der Reihe „Ein Krimi aus Passau“ spielt der den Privatdetektiv Ferdinand Zankl) und schreib uns mal wieder was!

Mehr zu diesem phantastischen Buch unter Reflexe und Reflexionen.

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Schon wieder wandert jemand nach Italien

Willi Winkler: Herbstlicht. Eine Wanderung nach Italien (November 2022)

Wer ist Willi Winkler?

„Willi Winkler ist ein deutscher Journalist, Übersetzer, Autor und Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung.“ (Wikipedia)

Was hat mich veranlasst, ein Buch von Willi Winkler zu kaufen?

Willi Winkler kommt in der Süddeutschen Zeitung oft zum Zuge, wenn etwas ausgefallenere Themen zu bewältigen sind, solche über den Rand der Gesellschaft oder auch die Kanten der Kultur. Dabei verfährt er immer recht kenntnisreich und überrascht dabei immer mit frischen, unverbrauchten oder nie gebrauchten Formulierungen. 

Bei letzterem kommt ihm dabei wahrscheinlich zugute, dass der Gegenstand, über den er schreibt, geradezu die Herausforderung zu einem solch kreativen Zugang darstellt.

Was aber ist, wenn er über Dinge schreibt, die eigentlich langweilig sind? Zum Beispiel über einen Fußmarsch von Wittenberg nach Mailand, bei dem einem ja naturgemäß nur alltägliche Dinge begegnen, die das Leben ausmachen, und die dabei ja extrem kontingent sind in ihrer zeitlichen Folge?

Willi Winkler scheint dabei ganz auf die Macht seines gewohnten Sprachstils und auf die Wirkung von detailliert präsentierten kulturellen Begebenheiten zu vertrauen. Ersteres verspricht dem Leser eine gewisse Freude, ein Wohlbehagen, weil ihm die schönen Wörter nicht auf der Zunge, sondern quasi im Ohr zergehen, letzteres nötig ihm eine gewisse Bewunderung ab und führt schließlich zu einem kleinen Stolz, teilhaben zu können an so viel Schönem und Interessantem…

Ich kann es kurz machen. Willi Winkler bricht im Herbst 2020 oder 2021 von Wittenberg auf, um zu Fuß durch Deutschland (also Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern), über die Alpen und bis Mailand zu gehen. „Italien war zuerst kaum mehr als ein Gedanke, eine spinnerte Idee, der Wunsch, an Ort und Stelle aufzubrechen und loszugehen. Wohin? Einfach nach Süden und möglichst weit. In Italien müsste man jetzt sein, aber wie kommt man dahin? Fahren kann jeder Depp, und jeder zweite tut es auch.“ Aber gehen sei etwas ganz anderes. Es sei langweilig, habe keine Höhepunkte, sagt der Autor. Goethe sei natürlich mit einer Kutsche nach Italien gereist, dieses Vorbild aller akademisierten Italienfahrer. „Also gehen, fortgehen, immer weitergehen.“ So beschließt es der Autor.

Warum also diese Wanderung? Warum er dieses Buch schreibt ist klar. Willi Winkler wollte natürlich aus diesen 1 ½ Monaten Tätigkeit Kapital schlagen. Aber warum er 1.300 km zu Fuß bis nach Mailand geht, wird aus dem, was wir vom Autor erfahren, nicht ganz klar. Er sagt als Erstes: „Italien!“ Tut das als „spinnerte Idee“ ab und fragt „Wohin?“. Dann sagt er „nach Süden“ und „weit weg“. Wer „weit weg“ will, fürchtet sich vor dem „Hier“. Also ist hier nichts anderes als eine Flucht geplant. Und bei der Frage des Wohin fällt ihm sogleich Italien ein, ein Ort zum Wohlfühlen, wenn man sich wie Goethe von einer Frau (von Stein) bedrängt fühlt. 

Halten wir also fest: Willi Winkler will abhauen, weil er Probleme mit einer Frau hat. Er wählt als Ziel der Flucht Italien, weil es da geliebte literarische Präzedenzfälle gibt. Und er geht zu Fuß, weil er sich mit seinen 65 Jahren noch etwas beweisen will (“Fahren kann jeder Depp”). (Was den Schluss nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei seiner Rückkehr von diesem Alpenspaziergang eine junge Geliebte in München auf ihn wartet… Oder eine Vulpius?)

Ich werde demnächst ein paar weitere Lesefrüchte dieses Buches unter „Reflexe und Reflexionen“ ausbreiten.

Ist inzwischen passiert: https://wp.me/P24xNR-5m

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Sylvester mit Spinoza

„Nohn (sic!), es ist eine alte Geschichte.“ So pflegte in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts einer meiner Geschichtslehrer am Stiftisch-Humanistischen Gymnasium in Mönchengladbach seine Auslegungen einer bisher nicht behandelten Episode oder Epoche einzuleiten. Ich will hier den Raum der oder besser einer Geschichte betreten, die 1990 in Prag begann, als ich Spinozas „Ethik“ in einem Antiquariat entdeckte, auf Deutsch, und es für 450 Kronen erwarb, da mich daran vor allem das Erscheinungsjahr 1886 und auch der Erscheinungsort Heidelberg (wo ich studiert habe; man wird sich ja noch ein paar kleine Sentimentalitäten leisten dürfen!) reizten. 32 Jahre hat das Büchlein in einer Ecke irgendeines Regals geschlummert, bis es mir aus Gründen, die ich nicht rekonstruieren kann, in die Hände fiel und sofort gefiel.

Ich begann also den sperrigen Text zu lesen, der aus kurzen Abschnitten oder einzelnen Sätzen besteht, die alle gekennzeichnet sind mit Buchstaben wie „D“ (Definition), „E“ (Erläuterung), „A“ (Axiom) oder „L“ (Lehrsatz), usw. Spinozas Ethik ist nach mathematischen (oder formallogischen) Gesichtspunkten konstruiert und ist letztendlich der Versuch, eine pantheistische Auslegung des Seins als erwiesene, da bewiesene Sache darzustellen. 

Was mich jedoch hier interessiert, ist die Einsicht, dass mir Spinoza einerseits als Vorläufer der phänomenologischen Philosophie (Husserl, Heidegger) erschien mit klaren psychologischen Erkenntnissen bezüglich des Verstehens von Dingen mittels Vorstellungen, was ich aber hier nicht weiter verfolgen möchte, dass er andererseits aber in seinen Beschreibungen der Psyche (er nennt das „Seele“) Dinge sagte, deren Bedeutung die moderne Werbung ihrem ureigensten Terrain, nämlich der Manipulation, zurechnet, mit anderen Worten: Spinoza beschreibt messerscharf, wie Werbung funktioniert.

Schnitt.

Ich skizziere nun, was heute (30. Dezember 2022) im Werbefernsehen so zu sehen war:

SAMSUNG

„If I can dream of a better world!“

Dazu lächeln Kinder, winken, ein niedliches Mädchen sagt „Hi!“.

CEWE Fotobücher

Es wird ein Fotoalbum gezeigt. Dazu der Kommentar: „Ein Familien-Schatz! Genau so hat sich das ganze Jahr angefühlt!“

STEPSTONE

„Freiheit ist, den richtigen Job zu finden.“ „Jobs sind unser Job.“

MUMM Sekt

„Das Leben ist zum Genießen da. Manchmal muss es Mumm sein.“

CONGSTAR

„Liebesbeweis für dich… Wir schenken dir…“

BETT1.de

„Freunde!“ Wer sagt denn, dass die so gut sind? „Freunde!“

ROTKÄPPCHEN Sekt

„Romantik“ – „Größte Liebe!“

BMW i7

„Ikone einer neuen Bewegung“

Hier noch mal als Übersicht:

Samsung – better world

Cewe – Familie

Stepstone – Freiheit

Mumm – Leben

Congstar – Liebesbeweis

bett1 – Freunde

Rotkäppchen – Große Liebe

BMW – Ikone

Spinoza stellt im II. Teil seiner Ethik: „Über die Seele“ folgenden Lehrsatz (Nr. 18) auf:

„Wenn der menschliche Körper einmal von zwei oder mehreren Körpern zugleich erregt worden ist, so entsinnt sich die Seele, wenn sie später einen von ihnen sich vorstellt, sofort auch der anderen.“

Voilà. In nuce ist das doch das Grundprinzip der Werbungsindustie. Spinoza lebt.

Morgen werde ich noch eine Flasche Sekt für den Sylvesterabend kaufen. Ich stehe also vor dem Regal bei Aldi oder Lidl (lohnt sich!), mein Blick schweift über das Sektangebot und dann muss ich mich am Ende doch entscheiden:

LEBEN oder LIEBE?

Am Ende werde ich mich wohl doch für das Rotkäppchen entscheiden, um es vor dem bösen Wolf zu schützen. Und was wird dann geschehen? Darüber breite sich der Mantel der Geschichte…

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Warum man vor Weihnachten noch unbedingt einen Hörtest machen sollte

Ich kam neulich an diesem Bild vorbei und habe mich natürlich gefragt: Warum ausgerechnet vor Weihnachten? Ich habe verschiedene Möglichkeiten abgewogen, z.B. wäre es vielleicht gut, wenn man am Heiligabend den Weihnachtsmann, der da draußen vorbei geht, nicht überhört. Natürlich ist der “Weihnachtsmann” für jeden etwas anderes. Für den unsterblichen Roy Black etwa ist es sein “Liebchen”. Also singt er lustig: Horch, was kommt von draußen rein.

Für andere ist Hören eher etwas Politisches. Da geht es dann eher um Signale, um ganze Völker, um letze Gefechte. Aber kennen wir das nicht auch vom Tag vor HeiligAbend, wenn sich so mancher noch in dieser und jener Einkaufszone ins letzte Gefecht stürzt? Also, Völker, hört die Signale!

Es könnte aber bei diesem vorweihnachtlichen Hörtest schlicht darum gehen, dass der Opa endlich einmal die ganze Weihnachtsgeschichte zu hören bekommt, selbst wenn die Enkel schon quengeln und geräuschvoll die Geschenke auspacken. Höret die Weihnachtsgeschichte!

Vielleicht bezieht sich dieser Rat, noch vor Weihnachten sein Gehör testen zu lassen, auf die Erfahrung, dass nicht alle Glocken an Weihnachten laut sein müssen. Es gibt auch die leisen Töne, die Glöckchen also, die vorzüglich von Helene Fische zur Geltung gebracht werden: Kling Glöckchen, klingelingeling.

Also, immer offen sein für alles. Und hört mal, wer da klopft

Und ja, dies ist natürlich eine offene Liste von Hörspielen. Wenn Euch noch weitere einfallen, her damit! Ich spendiere Euch die Links dazu… Daraus wird dann vielleicht ein weihnachtlich-harmloses Schneeballsystem…

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“Philosophieren heißt sterben lernen”

Dies ist einer der klugen Sätze, die von Michel de Montaigne (1533 – 1592) stammen, dem Erfinder des Essays, wie manche meinen. Der Journalist Nils Minkmar hat diesem Vorläufer der Aufklärung (… betont die Vernunft, aber auch deren Grenzen…) nun einen Roman gewidmet.

Nils Minkmar: Montaignes Katze. S. Fischer, Frankfurt 2022

Nils Minkmar macht keinen Hehl aus seiner Verehrung für Michel de Montaignes Essais, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geschrieben wurden und eine Fülle von ethischen und sonstigen Betrachtungen enthalten, ohne roten Faden, wie es gelegentlich heißt, in denen es also wie Kraut und Rüben durcheinander geht, deren Geschlossenheit nach dem Urteil mancher Gelehrter aber aus der gedanklichen Klarheit des Autors resultieren soll. Ich frage mich allerdings, wie das gehen soll.

Klick mich!

Nils Minkmar macht allerdings einen großen Hehl daraus, warum er diesen Roman, der ausschließlich im Jahre 1584 spielt, nach Montaignes Katze benennt, die nur sehr am Rande in der Erzählung Erwähnung findet. Ich habe dabei natürlich sofort an Schrödingers Katze gedacht, und zwischen den beiden Begriffen spinnt sich tatsächlich ein roter Faden, denn Schrödingers Beitrag zur Quantenphysik sind ebenso clever wie Montaignes kluge Aphorismen. Nils Minkmar verrät allerdings in einem Interview des „Domradios“, er habe diesen Katzentitel nicht zuletzt deshalb gewählt, weil Katzen für ihn und auch für Montaigne für privates Glück stehen, für ein gemütliches Zuhause und allgemein für irdisches Glück. Wenn ich meine beiden Kater Aladin und Adonis betrachte, wie sie da friedlich beisammen und ineinander gerollt in der Sofaecke liegen, dann kann ich nicht anders als diese Wertschätzung vorbehaltlos zu zu teilen…

Bitte weiterlesen unter Reflexe und Reflexionen.

Hier ist übrigens eine Art rekursive Bildgeschichte mit meinen Katern zu besichtigen…

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Oh Mein Gott Schalk

Thomas Gottschalk hat sich also noch einmal auf den Weg gemacht, gestern Abend. Mit 72. Vieles wirkte abgedimmt, lag sozusagen wie in einem altersbedingten Nebel, manches wurde aus der Klamotten-Koffer-Kiste entnommen, oft stand er am Kanaldeckel, also am Abgrund, also kurz vor einem Absturz. Er machte auf jung as ever, kam aber bewegungstechnisch ziemlich hölzern daher. Trug einen roten, fast hautengen Taucheranzug, der als Entschuldigung dafür dienen musste, dass er beim Can-Can mit Bully Herbig und Christoph Maria Herbst seine Beine nicht heben konnte. Michelle Hunziker wurde in ihrem weiten roten Kleid mit der Vermutung gegrüßt, darunter könne sich ja vielleicht eine Schwangerschaft verbergen. Aber die Oma (Die Oma, die Oma, liegt längst noch nicht im Koma!) hegte deshalb keinen Groll und half immer mal wieder schnell aus, wenn Thomas seinen Einsatz zu verpassen drohte. Und trotz allem, der altersbedingten Entschleunigung, ist mir dieser Kerl immer noch lieber als die Pflaume, also der Pflaume aus der Ratesendung, der höflich-semiwitzig durch die Sendung führt wie eine Gouvernante durch eine Ballnacht – immer bedacht darauf, nirgendwo anzustoßen.

Und Gottschalk ist beim Publikum nach wie vor sehr, sehr beliebt. Als Michelle sich für den ihr gespendeten Begrüßungsbeifall bedankte, sagte Thomas: Du hättest erst mal meinen hören sollen! – Auf dem Timmelsjoch gab ich mal mein Bestes, showmäßig und einfach so. Ganz ohne Publikum und Beifall. Das ist das Schicksal von Künstlern, die niemand kennt…

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Sprichwort des Jahres

Hinterher ist man immer klüger.

Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.

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Ist “Spitzweg” wirklich lesenswert?

Ich habe noch einmal nachgedacht. Und teile Folgendes mit:

Die Antwort hängt allein vom Leser ab. Wer einen Roman lesen will, wird enttäuscht sein. Wer sich für Kunst interessiert, kann begeistert sein.Wer jedoch von diesem Buch erwartet, in einen Künstlerroman eintauchen zu können, in so eine Art Adrian-Leverkühn-Geschichte der modernen Kunst oder der Kunst überhaupt, der wird aufs Tiefste enttäuscht werden. Um es direkt und ohne Schnörkel zu sagen: Der Autor missbraucht seinen Erzähler, der übrigens namenlos bleibt, um seine ureigensten Vorlieben an den Mann zu bringen. Die Romangestalten, angehende Abiturienten, lassen sich über dies und jenes aus, über die Kunst, die Musik, die Literatur, als ob sie von all dem eine Ahnung hätten. Die Ahnung aber hat – der Autor. Der einen ungebändigten Drang zum Bombastischen hat. Das äußert sich in den hyperbolischen Ergüssen über Kunst.

Wenn ich das wohlwollend oder einfach auch nur vorsichtig als mögliche Satire bezeichnet habe, so ziehe ich diese Einschätzung hiermit zurück. Der Autor ist ein Ästhet, ein ziemlich humorloser Ästhet, dem zwar hier und da im Buch ein paar prägnante Formulierungen gelingen, was aber alles verkleinert wird, da er sich in so vielen großbedeutenden Formulierungen verliert. Warum, zum Teufel, sagt Eckhart Nickel in einem Interview/Podcast der FAZ wiederholt auf eine Frage, die er mit “ja” beantworten könnte: “ABSOLUT!”? Ein “Ja” reicht ihm nicht. Er will das Besondere, das Einmalige, das Abnormale, das Große, das Absolute.

Auf dem hinteren Bucheinband ist ein Bild von ihm, auf dem er sich die Haare kämmt und dabei offenbar in den Spiegel schaut. Im Buch wird über Egomanie reflektiert. Und darüber, dass die einzig wahre Liebe die Selbstliebe sei. Selten hat ein Autor sich über seine Figuren so rückhaltlos offenbart.

Das Bild ist urheberrechtlich geschützt. Aber es gelangte hier zufällig in den Bildbereich meiner Fotografie dieser kostbaren Davidoff-Zigarre…

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Ist “Spitzweg” wirklich ein Roman?

Eckhart Nickel: Spitzweg. Piper, München 2022

Eckhart Nickel lässt seinen etwa 17-jährigen Ich-Erzähler als erstes verkünden: „Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht.“

In diesem ersten Satz des neuen Buches von Eckart Nickel deutet sich die Schwierigkeit an, in die der Autor mit diesem „Roman“ geraten ist. Die Geschichte ist aus der Sicht eines jungen Schülers geschrieben, enthält indes eine sich aufdrängende Fülle von kunsthistorischen, musikhistorischen und literarischen Mosaiksteinen, die der Autor, nicht der Erzähler an den Mann bringen will.

Um nicht zu protzsüchtig zu erscheinen (davon legt auch die geradezu bescheidene, große Ansprüche abwehrende Eingangsbemerkung Zeugnis ab), aber dennoch auf die Absicht, Großes aus dem Universum der Kunst kundzutun, nicht verzichten wollend, wird dem eher normal erscheinenden Erzähler (der sogar darunter leidet, dass er ganz normale Eltern hat) eine zweite Handlungsfigur an die Seite gestellt, die es in sich hat:

„Was Carl auch äußerte war wohlüberlegt und bedeutungsvoll formuliert. Ich war wie geblendet von der Allgegenwart seiner Gedanken, die nicht nur wie das geschriebene Wort klangen, sondern genug Sinn ergaben, um aus einem schlauen Buch stammen zu können. Weil ich nie zuvor einen Menschen so hatte reden hören, wurde mir allein von dem Versuch, seinen Ausführungen zu folgen, schwindlig. Fast schien es, als verfolge er mit jedem Wort, das er sagte, ein Ziel, auf das alles hinauslief, dessen Umrisse für mich jedoch umso weiter in einem dichter werdenden Nebel verschwanden, je länger ich über sie nachzusinnen imstande war.“

Hätte der Erzähler nicht auch etwas einfacher sagen können: „Carl sprach so druckreif, dass mir fast schwindlig wurde und ich manchmal Probleme hatte, seinen mündlich vorgetragenen Worten zu folgen.“? Der Erzähler spricht also elaborierter als ihm ansteht, wenn er z.B. so wegwerfend von „schlauen Büchern“ spricht. Eifert er bloß Carl nach, da er in dessen Sog geraten ist? Ist das Buch vielleicht sogar als Satire auf all die kulturkackenden Schönredner unserer Zeit und der Vergangenheit zu verstehen?

Bitte weiterlesen bei “Reflexe und Reflexionen”!

Ein Kommentar

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