Monatsarchiv: November 2021

Christian Lindner wird nervös

Die Lage ist bedrohlicher als 2020. Warum gibt es keinen Lockdown? Wenn der nicht „verhältnismäßig“ ist, wie kann man dann rechtfertigen, dass es ihn 2020 gegeben hat? Alle Politiker sagen: Wir müssen etwas tun. Es wird aber nicht gehandelt. Ich habe den Verdacht, die Tatsache, dass nun die FDP mit im Regierungsboot sitzt, ist schuld daran. Grüne und FDP passten nicht zusammen. Aber eine Regierung, die nicht aus einer Großen Koalition bestehen sollte, konnte es nur mit Grünen und FDP im Boot geben. Wie sollte das aber gehen? Indem man die Legende erfand, es gehe um das Große Ganze, um die Zukunft. Und behauptete, man sehe sehr wohl die Gegensätze, aber sehe gerade darin eine Chance, da man gelernt habe, voneinander zu lernen. Habeck, glaube ich, sagte in einer Talkshow, wo der eine eine 9 sehe, sehe der andere vielleicht eine 6. Offenbar üben die Koalitionäre sich im Kopfstand, und siehe da: Die Dinge werden so gleich, wie sie sein müssen, um eine gemeinsame Politik zu machen. Natürlich ist das Quatsch, das Bild ist logisch nicht nachvollziehbar, denn niemand steht ja normalerweise auf dem Kopf, und die Äußerung kleistert etwas zu, was beim leisesten Druck auseinander fallen wird. Habt Ihr beobachtet, wie neulich bei Anne Will Frau Baerbock immer wieder den lieben Christian ansprach, und der Christian etwas verhaltener Ansprache nahm an die liebe Annalena? Sehr verhalten aber eigentlich. Denn er war schon ziemlich verschnupft darüber, dass Anne Will und Melanie Amann vom SPIEGEL ihn nachdrücklich in die Zange nahmen und ihm vorwarfen, sich „ideologisch“ zu gebärden, wenn er immer wieder einen Lockdown ausschloss und sich dabei auf formaljuristische Gründe oder Finten verließ. Das RECHT kann ganz schön als Waffe benutzt werden, juristische Argumente geraten leicht zu Totschlagargumenten, die dem Muster gleichen: Befehl ist Befehl, da kann man nichts machen! Das weiß natürlich auch der kluge Herr Lindner. Und er weiß, dass es sehr schwer ist, ein solches Totschlägerimage wieder loszuwerden, wenn die Wirklichkeit anbrandet. Und deshalb wirkte er wohl auch bei Anne Will etwas gereizt und nervös. 

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Murphys Gesetz

Jonathan Franzen: Crossroads. Rowohlt, Hamburg 2021

Murphys Gesetz lautet bekanntlich: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Jonathan Franzens Buch ist ein über mehr als 800 Seiten sich ausbreitender Beleg für die Gültigkeit dieses Prinzips.

Wir befinden uns in einem kleinen Ort namens New Prospect im Mittleren Westen (in der Nähe von Chicago), und es ist einer der letzten Tage im Advent des Jahres 1971. Wir lernen in je verschiedenen Perspektiven eine Pfarrersfamilie kennen, er, Russ, ist der „zweite Pfarrer“ der Gemeinde, seine Frau, Marion, ist Hausfrau und kümmert sich um ihre vier Kinder, Clem, der brillante Älteste, geht aufs College, seine Schwester Becky, zu der er ein inniges Verhältnis hat, ist der unbestreitbare Schönheitsstar auf der Highschool, Perry ist genialisch veranlagt, vom Kleinsten, dem Bruder Judson, ist noch nicht viel Rede in diesem Buch. Dessen Charakter wird wohl erst in den beiden folgenden Bänden des als Trilogie angekündigten Werkes entfaltet werden. 

Eine furchtbar nette Familie also, so könnte man meinen, wenn da nicht diese Zwiespältigkeit wäre, die das Leben und also auch unseren Roman erst so spannend macht. Und die kündigt sich gleich im einleitenden Abschnitt des Romans an, den ich hier zitieren will:

Der von kahlen Eichen und Ulmen durchbrochene Himmel, an dem zwei Frontensysteme die grauen Köpfe zusammensteckten, um New Prospect weiße Weihnachten zu bescheren, war voll feuchter Verheißung, als Russ Hildebrandt wie jeden Morgen in seinem Plymouth-Fury-Kombi zu den Bettlägerigen und Senilen der Gemeinde fuhr. Eine gewisse Person, Mrs. Frances Cotrell, die ebenfalls zur Gemeinde gehörte, wollte ihm am Nachmittag dabei helfen, Spielzeug und Konserven zur Community of God zu bringen, und obwohl er wusste, dass er nur als ihr Pastor das Recht hatte, sich über diesen Akt des freien Willens zu freuen, hätte er sich kein schöneres Weihnachtsgeschenk wünschen können als vier Stunden mit ihr allein.

Eine Kurzanalyse dieses Romanbeginns und eine Skizze der Begebenheiten können eingesehen werden bei Reflexe und Reflexionen.

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Der Butt grassiert…

“Jo kissed his wife and took the broom from her hands. “You go on and help her now,” he said giving her butt a squeeze and a push as he sent her inside. It was the butt that had done it nineteen years ago, was still doing it now. He’d seen it coming around Strawberry Alley and had followed it four whole blocks. It was mesmerizing, the way it moved, independent of the rest of her body, as though operating under the influence of another brain entirely, one cheek knocking into the other cheek so that that cheek had to swing out before knocking back.”

„Jo küsste seine Frau und nahm ihr den Besen aus der Hand. „Du gehst und hilf ihr jetzt“, sagte er, drückte und schubste ihren Hintern, als er sie hineinschickte. Es war der Hintern, der es vor neunzehn Jahren getan hatte , tat es jetzt immer noch. Er hatte es um die Strawberry Alley herumkommen sehen und war ihm vier ganze Blocks gefolgt. Es war hypnotisierend, wie es sich unabhängig vom Rest ihres Körpers bewegte, als ob es unter dem Einfluss eines anderen Gehirns operierte vollständig, eine Backe schlug an die andere, so dass diese Backe ausschwingen musste, bevor sie zurückklopfte.”

Ausschnitt aus dem Roman von Yaa Gyasi: Homegoing (20217), über den ich unter Reflexe und Reflexionen mehr verrate…

Dank auch an Günter Grass, der mit seinem Roman “Der Butt” dafür gesorgt hat, dass ich hier einen kauzigen Kaulauer loswerden konnte…

Yaa Gyasi im Jahr 2017. Da hat sie ihr fulminantes Debüt-Buch geschrieben.
Yaa Gyasi im Jahr 2021. Siehe mein Kommentar unter Reflexe und Reflexionen.

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