Ein Tabu, was ist das? Manchmal nicht, was du denkst. In einer SMS z.B., da ist ein Tabu kein Tabu, sondern bedeutet “Tausend Bussis”. Und was ist AWO? Oder AWS? Vielleicht “Arbeiterwohlfahrt Ost” und “Arbeiterwohlfahrt Süd”? Wäre denkbar, ist aber falsch. Jedenfalls bedeutet AWS “After Work Smoke”, und allein der interessiert uns hier. (Aber zu OST und SÜD/WEST kommen wir später auch noch!)
Eines der deutschlandweit führenden Zigarrengeschäfte (nach Einschätzung des Inhabers, Salih M. Dalay), La Casa del Habano, Saarbrücken, bietet in regelmäßigen Abständen einen “After Work Smoke” an. Da werden nicht nur Zigarren angeboten, sondern ein Life Style. Was heißt das nun, wenn Zigarren nicht nur Zigarren sind, sondern mehr? Das lässt sich vielleicht am einfachsten mit einem Bild dokumentieren, das ich einem Video entnommen habe, das Salih und sein Team auf YouTube veröffentlicht haben. Diese Zigarre ist einfach himmlisch, hat Flügel und beflügelt. Sie hat was Engelhaftes, ja ist ein Engel und dabei so schön steif und lang. Engel sind ja normalerweise in unserer Vorstellung und auf den Gemälden großer Meister weich und schwabbelig, so dass man sich oft wundert, wie die mit ihren Flügelchen auch nur einen Flügelschlag fliegen können sollen.
Mit anderen Worten: Dalay hat den Engel neu erfunden!
Letzten Dienstag bin ich zum AWS gegangen, allein. Wenn man mit Freunden hingeht, ist sichergestellt, dass man in guter Gesellschaft ist. Wenn man aber allein dort auftaucht, wird man zwar, vorausgesetzt, man grüßt artig in die Runde, freundlich aufgenommen, stellt dann aber fest, dass alle schon in kleinen Grüppchen plaudern und rauchen, also was soll ich tun?
Ich habe mir erst mal eine Zigarre geben lassen, eine La Ley war’s, glaube ich. Und ein Bier. Und mich auf die Heizung gesetzt, die nicht brannte, aber mit einem Kissen bedeckt war. Dann den Abend im Wesentlichen dort verbracht. Mir gegenüber, an der Theke, saß ein freundlicher Smoker, im Sessel an der Tür daneben ein tätowierter Smoker mit Brille, die Kombination gibt es nicht so oft, ich meine Tattoo und Brille. Wir kamen ins Gespräch. Fanden heraus, dass wir alle drei Motorrad fahren (Was fährst du? Honda. Und du? Harley. Dass das nur gehaucht wurde, kann bedeuten, dass in der Auskunft eine gewisse Verlegenheit zum Ausdruck kam gegenüber einem Fahrer einer solch unkultigen Maschine, den man ja nicht in Verlegenheit versetzen wollte…). Später kam noch jemand dazu, dem es draußen zu kalt geworden war. Um sein der Kälte geschuldetes Schlottern zu verbergen, hat er unaufhörlich geredet. Es saß da in einem tiefen Sessel und erklärte uns den saarländischen Filz, sehr kenntnisreich. Schließlich sprachen wir über die Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen („Bevor wir was dazu sagen, musst du immer zuerst betonen, dass du kein Rassist bist!“). Am Ende kam noch einer von denen da draußen zu uns und sprach mit den Bikern. Den kenne ich von früheren Veranstaltungen. Wenn man seinen Kopf rot anmalen würde und ihm ein paar Hörner aufsetzte, sähe er aus wie ein role model für den Teufel. Sehr sympathischer Typ, der, wenn ich das recht gesehen habe, die einzige Frau an diesem Abend mit gebracht hatte.
Wir haben dann noch über Nina Hagen beim Saarspektakel gesprochen. Der eine Biker gab mir seine Visitenkarte: Mobile-Diner mit Wolfgang Ost. Wenn der andere Biker, der vermutlich sein Geschäftspartner ist, nun Reinhard West hieße, wäre das wunderbar. Dann hätten die in ihrem Airstream Overlander nie ein Problem damit, wer auf welcher Seite die Gäste bedient, vorausgesetzt, „Woody“ ist breitengradig positioniert. Zu kompliziert? Vergiss es einfach… War eh nur ein billiger Kalauer. Aber K. lauert halt manchmal. Lieben Sie Kafka?
Nachtrag, aber nicht nachtragend:
Am Schluss habe ich für eine Zigarre und zwei Bier circa 25 € bezahlt. Ich glaube, Salih hat sich dafür vielleicht ein bisschen geschämt. Er bekam zwar nicht, als ich die Scheine rüber schob, einen roten Kopf, aber seine Schuhe hatten sich doch merklich verfärbt in diese farbliche Richtung… (Das war Salih: Kleines Hütchen auf markantem Kopf, feiner Anzug mit dezenter Krawatte, dann diese roten Turnschuhe in der Farbe der honduranischen Engelskirsche…)