26. Dezember 2015 · 22:24
Das war ein magischer Moment.
Du greifst in deine Gesäßtasche, um die Geldbörse rauszuziehen und – greifst ins Nichts. Die Tasche ist groß, die Tasche besteht aus einem feinen Stoff (das nimmst du wirklich wahr in diesem Augenblick), die Tasche hat sogar einen Knopfverschluss. Aber sie ist leer.
Du beginnst mit deiner Hand in der leeren Tasche rumzuwühlen, als ob die Geldbörse sich in irgendeiner Falte versteckt halten könnte., du verharrst in der Bewegung und denkst – NICHTS! Dir wird nämlich klar, dass du deine Geldbörse entweder verloren hast oder dass sie dir geklaut wurde. Aber dann spielst du die Möglichkeiten durch:
Ich habe sie vielleicht gar nicht eingesteckt, als ich von zu Hause aufbrach.
Das kann indes nicht sein, denn du hast doch, bevor du in die U-Bahn eingestiegen bist, am Büdchen noch Leergut abgegebn und die für das Pfand erhaltenen Münzen in deine Geldbörse gesteckt.
Vielleicht habe ich die Geldbörse an einem ungewöhnlichen Ort verstaut. Verdammt, ich scheine noch einen leichten Kater zu haben. Vielleicht ist sie irgendwo in meiner Jacke.
Du beginnst also sämtliche Taschen durchzuwühlen und findest – NICHTS.
Habe ich die Geldbörse vielleicht meiner Freundin, die mich begleitet, gegeben?
Ich schaue zu ihr rüber, und sie schaut mich an, und ihr Blick bedeutet – NICHTS.
Auf der Polizeiwache helfen sie dir zuerst, deine Kredit- und EC-Karten zu sperren. Dann machen sie ein Protokoll und schlagen dir vor, den Vorgang als Diebstahl zu melden und nicht als Verlust. Das erscheint mir im Nachhinein als sehr menschenfreundlich und -kundig. Denn es soll mir offenbar helfen, ÜBER DEN VERLUST HINWEGZUKOMMEN.
Beim Wort „Diebstahl“ denke ich vielleicht an schöne Filme wie „Über den Dächern von Nizza“. Beim Wort „Verlust“ dagegen scheint es eher um Leben und Tod zu gehe, beklagt man doch z.B. den Verlust von vielen Menschen, Toten, Verletzten.
Ich unterschreibe in der Polizeiwache auf der Heinrich-Heine-Allee in Düsseldorf (Altstadt-Wache) eine Strafanzeige gegen Unbekannt und verlasse ein wenig getröstet das Revier (und den lieben Polizeimeister Mathias) mit dem Gefühl, mich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen den Angriff auf meine monetäre Unversehrtheit zur Wehr gesetzt zu haben. Wir mögen zwar den vielen kleinen Taschendieben, die sich zur Weihnachtszeit auf Weihnachtsmärkten und in voll gestopften U-Bahnen herumtreiben, ausgeliefert sein. Aber so eine vierseitige Strafanzeige, für die man eine Stunde bei der Polizei eingesessen hat, die schwungvoll unterzeichnet wurde, stellt den vormals gefühlten Wehrzustand wieder her.
Aber komisch, trotzdem schwört man sich, mit leicht zusammengepressten Lippen:
DAS WIRD DIR NICHT NOCH EINMAL PASSIEREN!
Ich sitze inzwischen am Weihnachtsabend zu Hause auf dem Sofa und schaue mir circa sieben Stunden lang nonstop „Little Dorrit“ von Charles Dickens an (alle acht Folgen der Staffel). Meine beiden Kater, Adonis und Aladin, haben sich längst zur Ruhe begeben. Aber für ein Selfie sind sie immer gut!
