Die Scherbenkrone heißt der erste und letzte Roman von Diethelm Brüggemann, und ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt, was die Generierung dieses Titels angeht. Wer denkt bei Scherbenkrone nicht an Dornenkrone, und bei Dornenkrone nicht an all das Gedöns, das im Verlaufe einer katholischen Erziehung vor etwa 50 oder 60 Jahren im Gepäck war, im Marschgepäck fürs Leben. Aber Diethelm, mein Vetter übrigens, hat schon sehr früh die Macht mächtiger Buchtitel erkannt. Seine Dissertation wurde unter dem Titel Vom Herzen direkt in die Feder bei dtv veröffentlicht. Auch dieser Titel war eher der Wirkungsmächtigkeit geschuldet als der Realität. Denn in der Dissertation ging es doch um die Anleitung zum Briefschreiben, um sogenannte Briefsteller, die doch Relais sind beim Briefeschreiben und verhindern sollen, dass es vom Herzen direkt in die Feder geht.
Jedenfalls gab es heute eine interessante Veranstaltung in der Buchhandlung Böttger am Bonner Bahnhof, wo Hanns Zischler, bekannt aus zahlreichen Filmen, das Buch von Brüggemann vorstellte, das er in seinem Verlag Alphaeus veröffentlicht hat. Der Hanns las aus dem Buch vor, es wurde gelegentlich gelacht, auch Beifall gezollt für eine wunderbare Etüde (Zischler), in der Brüggemann beschreibt, wie er einen Kreisel auf den Weg des immerwährenden Drehens bringt. Also in die Ewigkeit befördert. Man könnte sagen, dass hier ein wenig Metaphysik in Böttgers Buchladen Einzug hielt. (Oder hatte Brüggemann lediglich versucht, einen Vorgang möglichst präzise in Sprache zu übersetzen?)
Alfred Böttgers abschließende Bemerkungen, die den Absatz des Buches von Brüggemann fördern sollten, wurden vom Publikum ebenso belohnt wie die Lesung von Textauszügen aus dem Buch.
Eine kleine Sache will ich nicht unerwähnt lassen. Hanns Zischler las eine Passage aus Brüggemanns Buch vor, in der es darum ging, dass der kleine Junge aus seinem Stabilbaukasten ein Flugzeug gebaut hatte und es seiner Mutter zeigte, die sagte: “Wie fein!” und die Teller vom Tisch räumte. – Ich habe Diethelms und meiner gemeinsamen Großmutter, die bei uns nebenan wohnte, einmal mit 3 oder 4 Jahren ein Lied (Hänschen klein) vorgesungen und dabei meine Augen wahnsinnig verdreht. Ich fand das cool, würde man heute sagen. Die gemeinsame Großmutter sagte: “Wie fein!” und räumte die Teller ab…
Übrigens, Diethelm Brüggemann und Hanns Zischler sehen sich sehr ähnlich, von oben betrachtet.
Aber den Kreis derer, die sich so ähnlich sehen, können wir doch sehr erweitern. Ich gehöre allerdings nicht dazu. “Ich bin nur ein armer Wandergesell’, gute Nacht, liebes Mädel, gut Nacht”, ergo der Vetter aus Dingsda (So Hanns Zischler bei der Begrüßung nach der Lesung. Wir haben wohl die gleichen Operetten in den frühen Jahren des Fernsehens gesehen…), der sich indes rekursiv am Leben erhält, wenn Ihr mitmacht…
Diesem Kurzbericht über die Lesung zum Buch ist eine Buchbesprechung zugeordnet, die unter Reflexe und Reflexionen zu finden ist.