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Mitteilungen aus der Kronen-Gruft 51: Nichts ist gewöhnlicher als der Tod (No1)

In meinen Poe’schen oder auch poetischen Nächten lese ich also viel, wie viele in dieser Pandemie. Es gibt zahlreiche Blogs, die davon Zeugnis ablegen und Blogger,, die daraus so etwas wie ihre Blog-Message machen. Sie teilen uns schlicht mit, was sie so gerne lesen und muten uns damit manchmal einiges zu, da uns das, was sie gerade interessiert, überhaupt nicht interessiert.

Ich mache das jetzt mal ganz anders. Ich mute Euch nichts zu, sondern ich beglücke Euch mit ein paar Zitaten aus Thomas Manns Roman „Joseph und seine Brüder“, nicht wahllos-willkürlich nach dem, was ich so gerade lese, sondern sorgsam ausgewählt in Anpassung an die Zeit, in der wir leben. Und deren Thema ist der Tod – obwohl das so nirgendwo richtig gesagt wird. Aber erstens verdrängen wir alle, dass es uns schneller erwischen kann als uns lieb ist (als wir zu denken gewohnt waren); das heißt aber, wir leben alle beständiger „als sonst“ mit dem Todesgedanken. Und zweitens gibt es im Augenblick Institutionen (etwa Krankenhäuser) und Landstriche (etwa Gegenden, wo Menschen in ärgster Armut leben), in denen die Menschen sterben wie die Fliegen wegen einer Pandemie, von der noch niemand weiß, ob wir die jemals wieder loswerden.

Ich fand es jedenfalls tröstlich, wie genial, scheinbar spielerisch-ironisch Thomas Mann in diesem Roman über den Tod schreibt. Es relativiert vieles. Und ich ertappe mich bei der Vorstellung, der Tod könne doch etwas sehr Schönes, obwohl natürlich äußerst Gewöhnliches sein, wenn man ihn so schön in Worte fassen kann (Kommt da etwa Todessehnsucht auf?). Das hat natürlich etwas mit dem Wesen der Kunst zu tun, auf das ich mich hier aber nicht weiter einlassen möchte…

In diesem und den folgenden zwei Posts geht es um drei Aspekte des Sterbens:

1. Wie es uns in den Tod reißen kann.

2. Wie es einem beim Sterben so ergehen kann.

3. Wie man einen Sterbenden trösten kann.

All dies wird geschildert in dem Kapitel „Bericht von Mont-kaws bescheidenem Sterben“. Joseph wurde bekanntlich in Ägypten als Sklave verkauft und gelangte in das Haus des Verwalters der Güter des wichtigsten Höflings beim Pharao, nämlich dieses Mont-kaws. Und als dieser stirbt, wird Joseph zu dessen Nachfolger bestimmt. Joseph weiß genau, dass Gott ihn dafür vorgesehen hatte. Leicht widerwillig, gleichsam um das Schicksal zu prüfen, ruft er bei der Erkrankung seines Herren nach dem besten Arzt des Reiches, wohl wissend, dass der Gottes Pläne nicht durchkreuzen kann (Mont-kaw also keinesfalls heilen wird). So sieht das jedenfalls der auktoriale Erzähler in diesem 1.400 Seiten starken Roman, der für die Pandemie wie geschaffen scheint…

Wer hat nicht schon einmal erlebt, dass z.B. ein Ehemann stirbt und seine Frau ihm „bald folgt“. Viele sehen darin ein wunderbares Beispiel für Verbundenheit über den Tod hinaus. Nicht so offenbar der Erzähler der Joseph-Geschichten. Hier also der erste Teil unserer Todes-Trilogie:

Wie es uns in den Tod reißen kann

Allezeit war dieses Sichanstecken am Tode, das sogenannte „Mitgenommenwerden“ von einem, dem man in zugiger Friedhofshalle die letzte Ehre erweist, etwas sehr Häufiges, damals so gut wie heute. Es war Sommer und sehr heiß, dabei aber, wie oft in Ägypterland, recht windig, – eine gefährliche Verbindung, da der fächelnde Wind die Verdunstung der Hauttranspiration zu fortwährend jäher Abkühlung beschleunigt. Mit Geschäften überhäuft, hatte der Meier sich im Hause versäumt und sah sich in Gefahr, zu den Feierlichkeiten zu spät zu kommen. Er mußte eilen, er schwitzte, und schon bei der Überfahrt über den Strom gen Westen, im Gefolge der Leichenbarke, fror den nicht warm genug Gekleideten bedenklich. Der Aufenthalt nachher vor dem kleinen Felsengrabe, das der Gewölbebesitzer, nun Usir, sich erspart hatte und vor dessen bescheidenem Portal ein Priester in der Hundsmaske Anups die Mumie aufrecht hielt, während ein anderer mit dem mystischen Kalbsfuß die Zeremonie der Mundöffnung an ihr vornahm und die kleine Gruppe der Leidtragenden, die Hände auf den mit Asche bestreuten Köpfen, dem Zauberakt zusah, war wegen des gesteinskalten Zuges und Höhlenhauches, der dort ging, auch nicht besonders zuträglich. Mont-kaw kam mit einem Schnupfen und einem Blasenkatarrh nach Hause; am nächsten Tage schon klagte er vor Joseph, wie es ihm so seltsam schwerfalle, seine Arme und Beine zu bewegen; eine Art von Betäubung zwang ihn, von häuslicher Tätigkeit abzusehen und sich zu Bette zu legen, und als der Obergärtner ihm gegen die unerträglichen, mit Erbrechen und halber Erblindung einhergehenden Kopfschmerzen Blutegel an die Schläfe setzte, bekam er einen apoplektischen Anfall.

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„Im Angesicht des Todes“ (Middlemarch 4)

Der alte Mr. Casaubon, 30 Jahre älterer Ehemann von Dorothea, erleidet einen Herzanfall, als er merkt: 1. dass er sein Lebenswerk, ein gewisses Buch zu schreiben, an dem er bereits 30 Jahre arbeitet, kaum wird stemmen können und 2. dass es Anzeichen dafür gibt, dass seine junge Frau davon einen Ahnung hat und sich  ihr Verhältnis zu ihm geändert haben könnte  („In seiner argwöhnischen Stimmung sah er jetzt in Dorothea’s Schweigen eine verhaltene Auflehnung, in jeder harmlosen Bemerkung, die sie ohne Vorbedacht hinwarf, eine Kundgebung bewußter Überlegenheit; aus ihren sanften Antworten hörte er eine verstimmende Behutsamkeit heraus, und wenn sie ihm zustimmte,  so hielt er das nur für die Äußerung einer selbstgefälligen Resignation.“). Also verlangt er von seinem Arzt, Herrn Lydgate, genaue Aufklärung darüber, wie es mit seiner Gesundheit steht. Der Arzt sagt ihm: Sie könnten sofort tot umfallen oder aber auch noch 15 Jahre leben. 

Here was a man who now for the first time found himself looking into the eyes of death—who was passing through one of those rare moments of experience when we feel the truth of a commonplace, which is as different from what we call knowing it, as the vision of waters upon the earth is different from the delirious vision of the water which cannot be had to cool the burning tongue. When the commonplace „We must all die“ transforms itself suddenly into the acute consciousness „I must die—and soon,“ then death grapples us, and his fingers are cruel; afterwards, he may come to fold us in his arms as our mother did, and our last moment of dim earthly discerning may be like the first.“ (p. 350)

Der Mann, der hier auf und ab ging, sah jetzt zum ersten Mal dem Tode ins Angesicht, durchlebte einen jener seltenen Augenblicke innerer Erfahrung, wo wir die Wahrheit eines Gemeinplatzes in uns erleben, was so verschieden von dem ist, was wir denselben kennen heißen, wie der Anblick wirklich fließenden Wassers verschieden ist von der fieberkranken Vision eines Wassers, nach welchem die brennende Zunge vergebens verlangt. Wenn sich der Gemeinplatz: »Wir müssen alle sterben« plötzlich in das klare Bewusstsein des: »Ich muss sterben – und zwar bald,« verwandelt, dann fühlen wir uns wie von den grausamen Fingern des Todes angepackt! Nachher mag er dann kommen, uns in seine Arme zu schließen, wie es einst unsere Mutter tat, und mag unser letzter Augenblick trüben irdischen Bewusstseins unserm ersten Augenblicke gleichen.“

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Traumsteuerung

Träumen macht Spaß. Teilen auch. Auf Facebook teilt so mancher den ersten Zahn seines Kindes oder das Sushi von nebenan mit allen seinen Freunden.

Heute wollen wir mal Träume teilen.

Etwas Teilen ist ja nicht bloß der Facebook-Gemeinde vorbehalten, sondern geschieht auch in der rauen Wirklichkeit. So habe ich erlebt, dass auf Partys gern schon mal Träume geteilt werden. Aber manchmal bin ich mir nicht sicher, ob so mancher Traumteiler einen geträumten Traum oder aber einen erfundenen Traum erzählt. Geteilte Träume werden nämlich durchaus als Prestigeobjekte verwendet. Ich bin, was ich träume! Neulich ist einem Freund von mir angeblich Kant im Traum begegnet, der dauernd gemurmelt haben soll: „Der gute Wille ist gut…“ Alle haben den Traumerzähler bewundert. Ich war ein wenig neidisch. Denn ich träume allenfalls von Königsberger Klöpsen.

Ich möchte hier mal ganz ehrlich sein und sagen: Ich träume mal so und mal so. Also einerseits von solchen Dingen wie „Der Sinn des Lebens“ oder „Die Welt nach Trump“. Das könnten so die Überschriften zu dem sein, was mir manchmal im Traum durch den Kopf geht. Aber ich träume durchaus auch von Kakerlaken oder anderen Missgeschicken. Und manchmal habe ich sogar den Eindruck, ich träume Dinge, die mir einfach guttun. Z.B., dass ich meinem Chef einen bösen Streich spiele, mich also im Traum für etwas räche, das mir angetan wurde. Traum ist hier innere Ersatzhandlung, die den seelischen Haushalt ins Lot bringen soll.

Do you know what I mean? Ich will das an zwei Träumen, die ich geträumt habe, erläutern. Der erste handelt vom Tod, der zweite davon, dass Rache süß sein kann.

Ich hatte neulich diesen Traum, der das, was ich mir in wachem Zustand gelegentlich vorzustellen versucht habe, wirklich werden ließ. Ich habe mir immer wieder mal vorzustellen versucht, wie es wäre, wenn ich mehr oder weniger aus Versehen von einem hohen Turm oder von einer Felsenklippe stürzen würde und dann damit konfrontiert wäre, dass unwiderruflich bald der Tod eintreten würde. Ich habe mit Schrecken an eine solche mögliche Situation gedacht, mir aber nie wirklich vorstellen können, was dann in meinem Kopf passieren würde. Nun weiß ich es. Denn ich habe genau eine solche Situation im Traum erlebt. Ich bewegte mich in einer Stadt, in der es große alte Gebäude gab. Offenbar war noch jemand bei mir, den ich aber verloren hatte. Ich irrte also ziellos umher und kam schließlich zu einem großen Gebäude, das nach meiner Vorstellung wie andere große Gebäude an einem großen Platz stand und auch einen treppenartigen Zugang dazu zu haben schien. Ich befand mich auf dem flachen Dach und ging an den Rand des Daches, vermutend, dass sich dahinter irgendeine Treppe abtun würde. Ich kam an den Rand dieses Dachplateaus und wollte offenbar dann diese vermutete Treppe hinuntersteigen. Aber die gab es nicht. Vor mir und unter mir war nur der Abgrund, ganz in der Tiefe, die tiefer war als ein Haus hoch sein könnte, lag ein Meer. Und auf dieses flog ich nun zu, segelte ich zu. Ich versuchte, den fliegenden Absturz durch Arm- und Beinbewegungen zu beeinflussen, in der vagen Hoffnung auf irgendeinen Berg oder eine Wolke getragen zu werden, die mich sanft aufnehmen könnten.

Mit dieser Vorstellung endete der Traum. Die Hoffnung stirbt wirklich zuletzt. Wohl weil man sich das eigene Sterben nicht wirklich vorstellen kann oder will.

Gestern habe ich erneut etwas Skurriles geträumt. Ich befand mich wieder auf einer Reise. Zu Orten, die ich kannte. Dann dicht gedrängt ein Raum mit Menschen, die ich offenbar kannte. Ich musste auf die Toilette, ließ zwei Frauen vor mir passieren, hielt ihnen sogar die Tür auf. Als ich dann schließlich selber rein wollte, drängte sich ein Mann vor, der auf meinen Einwand, ich sei nun aber endlich an der Reihe, nicht reagierte. Doch als sich die Tür ein wenig später öffnete, sah ich ihn auf dem Klo sitzen, und eine Frau bastelte am Spülkasten, der hoch über dem Klo hing und aus dem Wasser in Strömen triefte auf den Mann, der auf dem Klo saß.

Traum von der Rache des kleinen Mannes (An der Theatergarderobe hatte sich gestern ein dicker Mann vorgedrängt und mich in bester Trumpscher Manier beiseite geschoben.): Rache ist süß!? Oder vom Sekt der Natur: Süße Erinnerung!?

Wer weiß dass schon. Ich müsste meinen Psychiater einmal fragen. Der ist allerdings etwas prüde und würde Letzteres von vornherein ausschließen. Ich könnte das verstehen. Denn auch Psychiater sind Menschen.

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