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The Black Rider- The Casting of the Magic Bullets

Das Musical wird zur Zeit im Staatstheater in Saarbrücken aufgeführt.

Einer der schönsten Songs von Tom Waits aus dem Musical ist gewiss I’ll shoot the moon. In dem Musical geht es – wie in den meisten Werken der dramatischen Literatur – um Liebe und Tod. The Black Rider ist die Metapher für den Tod, das im Untertitel hervorgehobene Gießen der magischen Kugeln weist der Liebe den Weg – zum Tod nämlich.

I’ll shoot the moon
Right out of the sky
For you baby
I’ll be the pennies
On your eyes
For you baby

I want to take you
Out to the fair
Here’s a red rose
Ribbon for your hair

I’ll shoot the moon
Right out of the sky
For you baby
I’ll shoot the moon
For you

A vulture circles
Over your head
For you baby
I’ll be the flowers
After you’re dead
For you baby

I want to build
A nest in your hair
I want to kiss you
And never be there

I’ll shoot the moon
Right out of the sky
For you baby
I’ll shoot the moon
For you

I’ll shoot the moon – was für ein Quatsch! Aber wer wirklich verliebt ist, der tut einfach alles, um seine Liebe zu beweisen. Also warum nicht den Mond abschießen. Dabei ist dies der unromantischste Liebesbeweis, den man sich ausdenken kann. Liebe scheint alles zu sein, nur nicht das, wofür man sie gemeinhin hält… Früher hat man den Toten, statt ihnen die Augen zu schließen, Pennies darauf gelegt. Schrecklich also der Gedanke, dass der Mondschütz sich der toten Geliebten, denn nicht den Mond hat er vom Himmel geholt, sondern die Geliebte ins Jenseits befördert, dass er sich also der geliebten Toten aufs Auge drückt. Obwohl andererseits: Er will ihr ja die Augen verschließen, also dafür sorgen, dass die Seele Ruhe findet.https://i0.wp.com/i00.i.aliimg.com/wsphoto/v15/934581900_2/-HB001-Baby-Hair-Band-Wholesale-2pcs-lot-Hair-Ribbon-Rose-Bow-Infant-Children-Headband-Baby.jpg?resize=156%2C156

Natürlich kann man sich in der dünnen Luft metaphysisch angelegter Liebe nicht dauernd aufhalten. Der Mensch braucht, was seine Emotionen betrifft, gelegentlich eine Art Verschnaufpause in Regionen, die weiter unten liegen (das gilt ebenso für den Sex, zumindest im Alter…). Also geht man mit der Geliebten auf die Kirmes und kauft ihr ein rotes Rosenhaarband.Und flüstert, derart wieder aufgegeilt: Ich hole dir den Mond vom Himmel, ich tu’s für dich, Baby!

Doch solche Großmündigkeit kann nicht ohne Folgen bleiben. Es nähert sich ein Geier der Toten schon. Denn wer den Mond vom Himmel holt… (siehe oben) Und unser liebender Held macht ein weiteres Versprechen. Statt Pennies verspricht er, ihr die Grabesruhe durch ihn als Blumenkranz zu versüßen. Wohlgemerkt: Er stellt ihr keine Blumen aufs Grab, das wäre ziemlich banal für einen lyrischen Song, er IST der Blumenstrauß als ultimative Metamorphose der liebenden Gestalt.

Dann hören wir noch von einem weiteren Wunsch. Ein Nest will er sich bauen, in ihrem Haar. Und küssen will er sie. Aber möglichst, ohne selber dabei zu sein. So selbstlos kann süße Liebe sein!

Und am Ende hören wir es noch einmal und denken uns: Ja, ja, wir wissen das schon! Und bewundern doch die Beharrlichkeit dieses Liebenden, der geliebt und gelitten hat, den Tod erlebt und überlebt hat. Und trotzig weiterhin verkündet: Ich tue das Unmögliche für dich. Und alles ist so unmöglich schön und tödlich.

Im Grunde ist dieser Song der Abgesang auf die NRA, die National Rifle Association. Ich habe Tom Waits danach gefragt. Er hat das nicht abgestritten! Der Co-Autor des Musicals, der alte William S. Burroughs, war übrigens ein Waffennarr. Wenn er bei diesem Song seine Finger im Spiel gehabt haben sollte, hat er sich wohl selber ins Knie geschossen.

Auch große Lyriker überschauen oft nicht die Implikationen ihrer manchmal gewundenen, aber auch verwundbaren Texte…

(An weiteren Paraphrasen anderer Songs interessiert? Dann schreibt einen kurzen Kommentar!)

 

 

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