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ars aeterna – vita brevis

Ganz schön smart, diese Chinesen…

Neulich sagte eine Frau, die am Nebentisch gespeist hatte, als meine chinesische Freundin und ich uns auf den Weg machten, an jene gewandt:

Ich habe jedesmal, wenn Sie gelacht haben, selber lachen müssen. Das ist richtig ansteckend!”

Ich habe  hinterher erklären müssen, was die Frau am Nebentisch meinte, da Chinesen nun mal nicht alles verstehen, selbst wenn sie lange hier leben.

Gestern habe ich sie zur Arbeit gefahren. Anschließend würde ich noch einkaufen gehen. Es regnete in Strömen. Als ich sie absetzte, fragte sie mich:

Hast du Schirm?”

Ja, hinten im Smart liegt doch dieser kleine smarte Schirm”, gab ich zur Antwort.

Ist nicht  klein für dich?”

Meinst du wegen meiner Füße?”

Da lachte sie ihr ansteckendes Lachen.

Als ich danach im Regen einkaufen ging, fragte ich mich:

Warum ist manches für einige Leute so komisch, für andere aber überhaupt nicht? Ich glaube, das liegt an der Fähigkeit, spontan eine phantastische Bilderwelt bei der Äußerung bestimmter Worte zu entfalten. Haha, sagen die einen, die sowas nicht verstehen. Sehr witzig!? Ganz schön absurd und abwegig, weit hergeholt, etc. Die anderen aber stellen sich im oben geschilderten Fall sofort vor, wie ein Mensch mit ungeheuer großen Füßen einen klitzekleinen Schirm öffnet und dann verzweifelt feststellen muss, dass er nasse Füße bekommt! Haha! Er bekommt nasse Füße! Und schon ist eine Kaskade weiterer Assoziationen in Gang gesetzt. Wenn er nasse Füße bekommt, macht er den Schirm wahrscheinlich gleich wieder zu, da das Öffnen des Schirm ja dazu geführt hat, dass er nasse Füße bekommen hat.

Und wer will schon nasse Füße bekommen.

Aber jetzt steht er ja im Regen.

Und wer will schon im Regen stehen?

Also macht er den Schirm vielleicht wieder auf. Oder überlegt sich, was er stattdessen tun könnte. Vielleicht kramt er ja einen Plastikbeutel aus seiner Manteltasche und steigt da hinein, öffnet den Schirm und stellt dann fest, dass er zwar keine nassen Füße mehr bekommt, aber nun gebeutelt ist.

Und wer will schon gebeutelt sein?

Man kann dieses Spiel unendlich lange fortsetzen. Phantasie kennt keine Grenzen.

Ars aeterna – vita brevis (Museum Kunstpalast, Düsseldorf)

Oder, wie’s euch gefällt:

Where one can pun, in fact one hasn’t yet gone out. (Shakespeare, Falstaff; zitiert nach Joyce Carol Oates, My Heart Laid Bare, p. 596)

Übrigens, das letzte Zitat könnte auf Deutsch etwa so aussehen:

Solange du kalauern kannst, steht es fest, dass du noch nicht ausgelöscht bist.

Ich würde das gern etwas freier übersetzen:

Ich mache Witze, also bin ich.

 (frei nach Descartes)

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Oberons Garten

Es hatte schon den ganzen Tag geregnet, und die Temperatur war in den letzten zwei Tagen beträchtlich in den Keller gerutscht. Da habe ich bei Ulrich Hassenpflug und Elke Richter angerufen und wurde von Ulrich spontan eingeladen („da reist ich nach Deutschland hinüber…“). Also habe ich mich mit der U 75, die bis zur Vennhauser Allee in Eller fährt, auf den Weg gemacht, um an dem mächtigen Tor des Anwesens Heidelberger Straße 75c zu klingeln. Ulrich kam mir entgegen, ich sah „in der Ferne“ zunächst einen großen Mann mit langen blonden Haaren, der mir zuwinkte. Ulrich ist im Gesicht etwas fleischiger geworden, ansonsten ganz der Alte. Elke und Oberon, ihr sanftmütiger Wachhund, begrüßten mich im Trockenen. Bei einer Tasse Kaffee redeten wir über Familie und andere traurige Dinge, den Tod zum Beispiel, bis Ulrich mich in den Garten begleitete, in dem eine ganze Reihe seiner eisernen Kunstwerke ausgestellt sind. Ausgestellt sind – das trifft es ganz und gar nicht. Denn dort ist in Wirklichkeit ein ferro-terrarisches Symbiotop von einzigartiger Schönheit. Der Schwebebalken im chinesischen Schilfrohr (oder wie hießen diese schlanken, zugespitzten grünen Grasdegen, die um dieses rostige Stück Eisen, das auf den Spitzen der Pflanze zu schweben schien, ganz sanft herumtanzten?), die mächtigen und manchmal auch schmächtigen Stangen, die sich entweder von selber, also ohne menschliche Hilfestellung, bewegen, wenn Wind aufkommt, die runden Edelstahlschalen und die rostigen, schweren und doch nach Berührung schwerelos schwingenden Pendel. All das habe ich im Regen unterm Regenschirm von einem Stück zum andern wandernd wahrgenommen und zunächst nicht gewusst, dass ich diesen einzigartigen Garten auch ganz in mich aufgenommen habe.Nochmal Trilobit 2008 Dessen wurde ich mir erst bewusst, als ich, schon im Bett liegend, die Bilder des Tages an mir vorbeiziehen ließ. Ein Garten ist ja an sich schon etwas Lebendiges. Diesem Garten jedoch ist durch die Anwesenheit dieser Stahlskulpturen auch menschliches Leben eingehaucht. Klar, wenn der Wind weht, bewegen sich einige der Skulpturen, und bei anderen besorgen das die Vögel, die auf ihnen einen Platz finden. Aber diese Stahlgebilde setzen sich zwar einerseits schon durch ihre bloße Materie den Pflanzen und Bäumen und dem Gras und den Vögeln entgegen, gehen aber andererseits eine Verbindung mit diesen „Dingen“ ein, ja verändern sie, da sie das Gesicht der Landschaft verändern, auch im einzelnen. Es findet eine Verdinglichung der Natur statt, zur gleichen Zeit aber auch die Naturalisierung eines Metalls, das eigentlich doch immer schon ein Teil dieser Erde war, bevor der Mensch es technisch vereinnahmte und damit der Erde entfremdete. Ulrichs künstlerische Vereinnahmung hebt diese Entfremdung wieder auf. Und das genau ist das Geheimnis, der Quell der Faszination dessen, was diesen künstlerischen Garten ausmacht. Metall wird ein Teil von Natur, und die Aufhebung der Entfremdung, wie sie vorhin geschildert wurde, erweckt beim Betrachten, beim Begehen des Gartens und Berühren der Gegenstände im Besucher ein Gefühl von Ruhe und Glück, weil auch er hoffen darf, „zu sich zu kommen“, alles Fremde und Störende abstreifen zu können, ganz er selber zu sein im künstlerischen Reigen der Natur („Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, und sind doch…). Am Schluss, beim herzlichen Abschied, wurde ich von Oberon noch einmal angestupst, und ich glaube sogar, der Hund hat mich angeblinzelt. Vielleicht, weil er schon wusste, was ich da noch nicht wusste, und er wusste, dass ich’s bald kapieren würde…

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