Schlagwort-Archive: Heinrich Heine

Reisebilder: Heinrich Heine und der Graf von Platen

Beitrag Nr. 5

Zum besten der Literatur will ich … jetzt vom Grafen August von Platen-Hallermünde etwas ausführlicher reden. Ich will dazu beitragen, daß er zweckmäßig bekannt, und gewissermaßen berühmt werde, ich will ihn literarisch gleichsam herausfüttern, wie die Irokesen tun mit den Gefangenen, die sie bei späteren Festmahlen verspeisen wollen.

Da der Graf sich selber für einen der größten Dichter deutscher Sprache hielt, ist diese einleitende Anmerkung Heines natürlich eine saftige Ohrfeige, ja viel mehr. Denn wie wir sehen werden, wartet Heine mit der Verspeisung nicht auf eine spätere Gelegenheit, sondern verschlingt ihn sofort mit Haut und Haar.

Der Standpunkt, von wo ich den Grafen Platen zuerst gewahrte, war München, der Schauplatz seiner Bestrebungen, wo er, bei allen, die ihn kennen, sehr berühmt ist, und wo er gewiß, so lange er lebt, unsterblich sein wird.

Das sitzt! So lange er lebt, ist er unsterblich. Eine Platitüde, die platt macht.

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Heinrich Heine und Diego Maradona

Reisebilder, Beitrag Nr. 4

Wie bereits gesagt: Damals wie heute gab und gibt es immer wieder Polemiken unter Schriftstellern, und gelegentlich endet das auch in einem Shitstorm. Das letzte Kapitel Nr. XI des dritten Teils der Reisebilder (Die Bäder von Lucca) ist definitiv ein solcher. Doch dieser Sturm kündigt sich in Kapitel X durch ein äußerst witziges, aber dennoch schon echt aggressives Grollen und Grummeln, man könnte auch sagen ein äußerst unterhaltsames Gumpeln, an. Er bedient sich nämlich in diesem vorstürmischen Geplänkel der Person des Marchese Gumpelino und auch dessen Diener Hirsch-Hyazinth, hält sich also noch in einem weitgehend fiktionalen Raum, nämlich der Reise zu den Bädern von Lucca, auf. Dennoch ist völlig unverkennbar, dass Heinrich Heine hier schon ganz auf den Grafen Platen zielt, wenn er gewisse Eigentümlichkeiten des Marchese und seines Dieners ins kritische Visier nimmt, und das geschieht vor allem in Hinblick auf dessen vermeintlicher allergrößter Dichtkunst und auf das Fehlen einer Charaktereigenschaft, auf einen lächerlich sich darstellenden Mangel an EHRLICHKEIT. Letzteres ergibt sich indes aus dem zeitbedingt sich ergebenden Widerspruch zwischen Sitten der Zeit und Neigung des Grafen zum männlichen Geschlecht. Eine Polemik gegen einen schwulen Dichter in der heutigen Zeit wäre in dieser Form undenkbar, zumal diese Polemik sich u.a. auch über dessen schwules Gebaren lustig macht.

Es wäre indes verfehlt, Heine deswegen geschlechtsorientierungsbezogene Vorurteilshaftigkeit vorzuwerfen. Denn bei aller Polemik wird doch deutlich, dass sie sich nicht gegen das Schwulsein an sich richtet, sondern gegen die Art Weise, wie hier ein Mensch damit umgeht, nämlich unehrlich und lächerlich. Nehmen wir ein Beispiel aus der heutigen Zeit. Ich weiß nicht sehr viel vom Leben des Fußballstars Maradona. Aber nehmen wir einmal an, ein solcher Star würde permanent von sich behaupten, der größte Star aller Zeiten zu sein, er würde zudem als alternder Star mit Schmerbäuchlein immer noch versuchen, die tollsten Pirouetten zu drehen, sich auch noch aufspielen als Besserwisser gegenüber anderen Stars, – ein solcher Mensch würde sich doch zum Narren machen und als Gegenstand einer satirischen Polemik eignen. Dem Journalisten oder Schriftsteller, der sich diesem Gegenstand in dieser Form widmet, könnte deswegen aber doch nicht vorgeworfen werden, er verunglimpfe den Fußball!

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Heinrich Heine: Reisebilder. Die Bäder von Lucca

Beitrag Nr. 3

Heinrich Heine hat bei späteren Auflagen seiner Reisebilder erwogen, die Kapitell X und XI aus Die Bäder von Lucca wegzulassen, hat es dann aber nicht getan, da dies wohl einem Eingeständnis gleichgekommen wäre, dass an dem Vorwurf, er sei mit seiner Kritik an Platen über das Ziel hinausgeschossen, etwas dran sei. Dabei geht es nicht nur in diesen beiden Kapiteln um Platen, sondern man kann sagen: Die Bäder von Lucca sind insgesamt eine Antwort auf Platens Lustspiel Der romantische Ödipus, das eine polemische Auseinandersetzung mit Immermann und Heine war. Heine will mit den Bädern von Lucca einfach zeigen, dass er sich weit besser mit Polemik auskennt als sein adliger Möchtegerndicherkollege.

Hier wird wieder ganz deutlich, dass offenbar eine beträchtliche Anzahl von schriftstellerischen Veröffentlichungen nicht „an-und-für-sich“ gesehen werden sollten, sondern als Momente einer oft weit verzweigten Auseinandersetzung zwischen auf dem Markt der Journale und verlegten Bücher konkurrierenden Individuen. Und daran kann man wiederum ersehen, dass das, was heutzutage in den Social Media passiert, auf Facebook oder in vielen Foren, sich nicht all zu sehr von dem unterscheidet, was schon vor 200 Jahren gang und gäbe war. Aber es lohnt sich, in solche Auseinandersetzungen vor 200 Jahren hineinzuschauen, da man dort Witz und kenntnisreicher Phantasie begegnet, die man häufig im Internet vermisst wegen des Zeitrafferwahns der Produktionsmittel dieses Mediums.

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Schwulen- und Religionsbashing bei Heinrich Heine?

Heinrich Heine: Reisebilder (1826 – 1830)

Heinrich Heine hat in seinen Reisebildern die politischen und religiösen Missstände seiner Zeit in einer äußerst witzigen Weise kommentiert und sich dabei auch auf einen Streit mit dem sich selber mit Lorbeer bekränzenden Dichter August von Platen, den er als Schwulen geoutet hat,  eingelassen, was ihm von einigen Zeitgenossen übel genommen wurde, was er aber auch selber zwischenzeitlich wohl nicht so witzig fand, da er vor neuen Auflagen daran gedacht hatte, die beiden einschlägigen Kapitel zu streichen. Das ist indes nicht geschehen.

Hieran anschließend kann man vortrefflich ein paar Gedanken anstellen, was unter „sexueller Diskriminierung“ zu verstehen ist vor 200 Jahren, oder heute. Wer ein harmloses Gedicht von Eugen Gomringer an einer Hauswand, in dem der Dichter auf die Beobachtung von Frauen auf einem Boulevard hinweist, als sexistisch ansieht, –  was muss der denken über Heines Invektiven gegen den schwulen Dichter August von Platen? Sollte man Heines Bücher deswegen heute „von der Hauswand entfernen“, also verbrennen?

Die Reisebilder entstanden in einer Zeit, als Heine noch versuchte, in Deutschland eine (An-)Stellung zu erhalten, die es ihm ermöglicht hätte, finanziell unabhängig zu sein, in denen er indes kompromisslos die literarischen und politischen Umstände in Deutschland darstellte, und zwar in einer ebenso ätzenden wie unterhaltsam-geistvollen Art und Weise. Diese Texte könnte man in Bezug auf ihren Stil und Ausdruckskraft durchaus mit einer gewaltigen Welle vergleichen, die die Selbstgewissheiten und Heiligtümer der Zeit hinweg spülte. Diese Eigentümlichkeit bringt es nun mit sich, dass man nur sehr schwer einzelne Beispiele aus diesem Wellenreigen herausreißen kann, ohne den gewaltigen Gesamteindruck zu mindern oder gar zu zerstören. Ein Wort ergibt bei Heine das andere, und ohne den Kontext mag das Eine oder Andere daher in seiner Isolation etwas merkwürdig oder gewollt erscheinen.

In meinen Reflexen und Reflexionen sollen in den nächsten Wochen zu den oben genannten Aspekten ein paar Anmerkungen gemacht werden, in lockerer Reihenfolge.

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Mitteilung aus der Kronen-Gruft 5

Entwurf für einen dystopischen Roman:

Wir sind im Jahr 2025. Die Hoffnung darauf, die Corona-Krise zu überwinden, schwindet. Die Krankheit wird zwar überall bekämpft, aber sie kommt in Schüben in der ganzen Welt immer wieder. Inzwischen sind einige der Staatsführer, die bei ihrem Ausbruch 2019 an der Macht waren, entweder abgewählt oder am Virus gestorben . Es sind jetzt wesentlich Jüngere an der Macht als seinerzeit Trump, Xi Jinping oder auch Netanjahu. Man diskutiert nun eine völlig neue Strategie (die allerdings in England und den Niederlanden 2020 schon einmal kurz zumindest angedacht worden ist): Herdenimmunisierung auf Kosten der alten Menschen. Das hätte den wünschbaren Nebeneffekt, dass die Renten weltweit wieder bezahlbar würden. Statt 90 Jahre würden die meisten Menschen nun lediglich 70 Jahre. Bei anhaltender Klimakatastrophe ließe sich dieses Alter noch weiter reduzieren, um den jüngeren Menschen das Überleben zu ermöglichen.

Was man sich 2019 angesichts der drohenden Klimakatastrophe noch gar nicht ausdenken wollte, kann nun mit einer relativ hohen Akzeptanz angedacht werden, und diese Akzeptanz ist eine Folge der Erfahrungen mit dem Virus. Das Virus hat also etwas Gutes: Er hat den Weg frei gemacht für das Überleben einer nicht mehr überalterten menschlichen Gemeinschaft. – Damit das gelingen kann, werden u.U. pharmazeutische oder psychologische Instrumente eingesetzt werden, die ab einem bestimmten Alter die Menschen in die Melancholie und damit quasi in die Suizidbereitschaft lenken. Das ließe sich gegebenenfalls teilweise über Apps lenken, die verbindlich in allen Handys – vor allem in die von Menschen deutlich über 50 – einzubauen wären.

Solche Gedanken sind in dieser Form natürlich neu, weil es genau eine solche geschichtliche Situation bisher nicht gegeben hat. Aber denken wir doch bloß einmal an den alten Eskimo, der still in der Eiswüste verschwindet, wenn im Iglu nicht mehr genügend Platz ist. Oder an philosophische Betrachtungen zu Melancholie und Suizid, von denen Hartwin Brand in seinem 2010 bei Beck erschienenen Buch „Am Ende des Lebens. Alter, Tod und Suizid in der Antike“ berichtet:

Konsequenterweise hat sich auch die kaiserzeitliche Medizinliteratur dieses Themas angenommen. Aus dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. stammt eine (leider weitgehend verlorene und nur aus Fragmenten und Testimonien teilweise rekonstruierbare) Abhandlung „Über die Melancholie“ von Rufus von Ephesos, der als gelehrtester und angesehenster Arzt der trajanischen Zeit und als bedeutendster kaiserzeitlicher Mediziner vor dem Pergamener Galen gilt. In dieser Schrift erörtert Rufus unter anderem den Zusammenhang von Lebensalter, Melancholieneigung und Suizidgefährdung und stellt fest, daß die Melancholie im Greisenalter am häufigsten auftritt. „Ja, sie wird geradezu als ein ‚notwendiges und unabtrennbares Akzidens des Greisenalters‘ betrachtet, weil die Greise ohnehin wenig Freuden und Hoffnungen haben, mißmutig sind und an vielen Magenblähungen leiden.“ Gefräßigkeit, Trunksucht und Suizidneigung seien Indizien für Melancholie, und diese Symptomatik besitzt prinzipiell auch heute noch ihre Gültigkeit.

Magenblähungen, Gefräßigkeit und Trunksucht sind durchaus vorhanden. Einer Suizidneigung ließe sich mit Hilfe virtueller Technologien leicht nachhelfen, und schon haben wir eine melancholische Altersgemeinde, die sich schweren Herzens (melancholisch), aber voller Einsicht (als immer noch aufgeklärte) von der Young New World verabschiedet.

Und weiter geht der Tanz auf dem Vulkan. Als beeindruckende Schlussszene böte sich hier ein Rockkonzert auf dem Felsen der Loreley an. Und aus den tiefen des Rheines ertönt der Chor der Alten: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…

 

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Heinrich Heine (Allee) in Schräglage

Neulich hatte ich in der U-Bahnstation „Heinrich-Heine-Allee“ in Düsseldorf folgende Erscheinung:

Zum Vergrößern bitte anklicken!

Die junge Frau wirkte auf mich hundertprozentig authentisch.Und dann fiel mir ein Gedicht von Heinrich Heine ein, „Das Hohe Lied“, und mir wurde plötzlich klar, dass wir es hier mit zwei Welten zu tun haben. Der Blick auf die junge Frau in dem Bild und Heines Blick auf die Frau an sich, ironisch gebrochen, aber hinter der Ironie ein klares Frauenbild erkennbar, offenbaren eine Zeitenwende. Übrigens wäre Heines Gedicht heute ein Fall für #MeToo, würden manche Eiferer und Eiferinnen sagen. Aber das würde zu kurz greifen und die historische Dimension außer Acht lassen.

Heine Heinrich

Das Hohelied

Des Weibes Leib ist ein Gedicht,
Das Gott der Herr geschrieben
Ins große Stammbuch der Natur,
Als ihn der Geist getrieben.
Ja, günstig war die Stunde ihm,
Der Gott war hochbegeistert;
Er hat den spröden, rebellischen Stoff
Ganz künstlerisch bemeistert.
Fürwahr, der Leib des Weibes ist
Das Hohelied der Lieder;
Gar wunderbare Strophen sind
Die schlanken, weißen Glieder.
O welche göttliche Idee
Ist dieser Hals, der blanke,
Worauf sich wiegt der kleine Kopf,
Der lockige Hauptgedanke!
Der Brüstchen Rosenknospen sind
Epigrammatisch gefeilet;
Unsäglich entzückend ist die Zäsur,
Die streng den Busen teilet.
Den plastischen Schöpfer offenbart
Der Hüften Parallele;
Der Zwischensatz mit dem Feigenblatt
Ist auch eine schöne Stelle.
Das ist kein abstraktes Begriffspoem!
Das Lied hat Fleisch und Rippen,
Hat Hand und Fuß; es lacht und küßt
Mit schöngereimten Lippen.
Hier atmet wahre Poesie!
Anmut in jeder Wendung!
Und auf der Stirne trägt das Lied
Den Stempel der Vollendung.
Lobsingen will ich dir, O Herr,
Und dich im Staub anbeten!
Wir sind nur Stümper gegen dich,
Den himmlischen Poeten.
Versenken will ich mich, o Herr,
In deines Liedes Prächten;
Ich widme seinem Studium
Den Tag mitsamt den Nächten.
Ja, Tag und Nacht studier ich dran,
Will keine Zeit verlieren;
Die Beine werden mir so dünn –
Das kommt vom vielen Studieren.

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Quellstudium

Düsseldorf, Medienhafen, Samstag, den 13. Oktober 2018, 25°C.

Da treibt es so manche Laiendarstellerin und Hobbyfotografen zu einem Fotoshooting vor dieser imposanten Kulisse.

Man sieht was aus dem Höschen quellen.

Es quillt wohl auch an andern Stellen.

 

(Siehe auch Heinrich Heine: Das Hohelied)

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Apropos Dualismus…

Das hatte ich bisher nicht gewusst. Es gibt Frauen, die man als duale Systeme bezeichnen kann. Diese Erfahrung durfte ich heute Mittag im Düsseldorfer Fischhaus machen.

Wenn man sich in Düsseldorf in eines der Lokale begibt, in denen man sich an schmalen langen Tischreihen gegenübersitzt, kommt man meist sehr schnell mit seinen Nachbarn ins Gespräch. Denn der Düsseldorfer ist bekanntlich recht leutselig.

Fischhaus

Das Fischhaus in der Altstadt

Ich saß also allein an meinem kleinen Tisch, und am Tisch nebenan hatten schon zwei Frauen ihren Platz gefunden und waren in ein reges Gespräch vertieft. Genauer gesagt, die jüngere der beiden, offenbar eine Medizinstudentin, redete ununterbrochen auf die ältere ein, eine Dame etwa in meinem Alter oder auch 10 Jahre jünger. Letztere das blonde Haar fein gestylt, weiße Bluse, kurzer schwarzer Rock und leicht gestöckelte Schuhe. Die jüngere ein wenig korpulenter, Jeans, ein blau-weiß gestreiftes, locker sitzendes leichtes Sweatshirt, das braune Haar hinter dem Kopf zusammengebunden. Ich erwähne das nur, da sie für ein Foto, das die ältere Freundin von ihr  machen wollte, ihr braunes Haar herunter wallen ließ.

„Lass doch! Sieht doch gut aus“, hatte die Ältere gesagt.

„Ist so  besser für mein Gesicht“, sagte die Jüngere.

Und dann wurde geschwätzt und geschwätzt. Und das Auffällige war, dass keiner von den beiden ein einziges Mal zu mir herüber sah. Vor allem die Jüngere hätte nur ihre Augen leicht nach rechts bewegen müssen, um mit mir in Blickkontakt zu kommen. Normalerweise wünscht man dem unbekannten Nachbarn im Fischhaus einen Guten Appetit, wenn er sein Essen erhält. Nichts von alle dem. Die beiden schienen absolut in ihrer kleinen Welt eingeschlossen zu sein.

Bis mir Folgendes auffiel.

Der jüngeren war das lockere Sweatshirt von der linken Schulter gerutscht, so dass der schmale Schulterstreifen eines lila Bhs sichtbar wurde. Ansonsten sah ich nichts, was besondere Beachtung verdiente, außer vielleicht, dass sie vermutlich über einen erheblichen Busen verfügte.

Nach einer Weile bemerkte ich, dass die linke Schulter wieder ganz bedeckt war. Aber nun war auf der rechten Seite ein ebensolcher feiner lila Streifen zu sehen. Dieses Wechselspiel wiederholte sich noch ein paar Mal, bis es zu einer neuen entblößenden Variante kam. Kaum war die Suppe gegessen (obwohl das wahrscheinlich mit der Suppe nur am Rande was zu tun hatte…), waren ihre Schultern bedeckt. Aber nun war der vordere weite Rand des Sweatshirts in der Mitte so weit nach unten gezogen, dass man deutlich „die Zäsur, die streng den Busen teilet“(Heinrich Heine: Das Hohelied) erkennen konnte.

Ich behaupte nun, dass wir hier den eindeutigen Fall einer dualen Kommunikation vorliegen haben. Sie, die Jüngere, redete sehr konzentriert mit ihre Freundin. Und gleichzeitig versuchte sie offenbar, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen, was ihr ja auch gelungen ist. Und diese beiden Dinge hatten nichts miteinander zu tun. Es handelt sich hier mithin um ein duales System, genauer gesagt, um frauenspezifischen Dualismus (Natürlich gibt es auch die männerspezifische Variante. Aber dazu vielleicht ein andermal.).

Nun, mag mancher sagen: Der alternde Leo Läufer ist seiner männlichen Eitelkeit oder schlicht seiner Greisenphantasie erlegen.

Keineswegs, antworte ich. Denn ich machte die Probe aufs Exempel.

Am Schluss stand ich nämlich auf, wandte mich zu den beiden Damen hin und wünschte noch einen Guten Appetit.

Da verschwand die linke Hand der Jüngeren blitzschnell hinter ihrem Rücken.

Und der Vorhang wurde zugezogen.

Der dann folgende flüchtige Augenaufschlag sprach den Rest der Bände…

Auch ein duales System...

Der Kö-Graben erzeugt auch ein duales System…

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