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Mitteilung aus der Kronen-Gruft 9


Melancholie

Die Zeit wird mir
so lang, so lang, so lang
wird mir die Zeit.

Ums Herz wird mir
so bang, so bang, so bang
wird mir ums Herz.

Der Geist ist mir
so leer, so leer, so leer
ist mir der Geist.

Das Leben ist
so schwer, so schwer, so schwer
ist mir das Leben.

Doch jedem Ende
wohnt ein Anfang inne?
Ich hab’ dem Märchen nie geglaubt,
wenn ich mich recht besinne.

Leo Läufer im April 2020

PS: Der andere Hermann möge mir meine Anspielung verzeihen…

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Mitteilung aus der Kronen-Gruft 5

Entwurf für einen dystopischen Roman:

Wir sind im Jahr 2025. Die Hoffnung darauf, die Corona-Krise zu überwinden, schwindet. Die Krankheit wird zwar überall bekämpft, aber sie kommt in Schüben in der ganzen Welt immer wieder. Inzwischen sind einige der Staatsführer, die bei ihrem Ausbruch 2019 an der Macht waren, entweder abgewählt oder am Virus gestorben . Es sind jetzt wesentlich Jüngere an der Macht als seinerzeit Trump, Xi Jinping oder auch Netanjahu. Man diskutiert nun eine völlig neue Strategie (die allerdings in England und den Niederlanden 2020 schon einmal kurz zumindest angedacht worden ist): Herdenimmunisierung auf Kosten der alten Menschen. Das hätte den wünschbaren Nebeneffekt, dass die Renten weltweit wieder bezahlbar würden. Statt 90 Jahre würden die meisten Menschen nun lediglich 70 Jahre. Bei anhaltender Klimakatastrophe ließe sich dieses Alter noch weiter reduzieren, um den jüngeren Menschen das Überleben zu ermöglichen.

Was man sich 2019 angesichts der drohenden Klimakatastrophe noch gar nicht ausdenken wollte, kann nun mit einer relativ hohen Akzeptanz angedacht werden, und diese Akzeptanz ist eine Folge der Erfahrungen mit dem Virus. Das Virus hat also etwas Gutes: Er hat den Weg frei gemacht für das Überleben einer nicht mehr überalterten menschlichen Gemeinschaft. – Damit das gelingen kann, werden u.U. pharmazeutische oder psychologische Instrumente eingesetzt werden, die ab einem bestimmten Alter die Menschen in die Melancholie und damit quasi in die Suizidbereitschaft lenken. Das ließe sich gegebenenfalls teilweise über Apps lenken, die verbindlich in allen Handys – vor allem in die von Menschen deutlich über 50 – einzubauen wären.

Solche Gedanken sind in dieser Form natürlich neu, weil es genau eine solche geschichtliche Situation bisher nicht gegeben hat. Aber denken wir doch bloß einmal an den alten Eskimo, der still in der Eiswüste verschwindet, wenn im Iglu nicht mehr genügend Platz ist. Oder an philosophische Betrachtungen zu Melancholie und Suizid, von denen Hartwin Brand in seinem 2010 bei Beck erschienenen Buch „Am Ende des Lebens. Alter, Tod und Suizid in der Antike“ berichtet:

Konsequenterweise hat sich auch die kaiserzeitliche Medizinliteratur dieses Themas angenommen. Aus dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. stammt eine (leider weitgehend verlorene und nur aus Fragmenten und Testimonien teilweise rekonstruierbare) Abhandlung „Über die Melancholie“ von Rufus von Ephesos, der als gelehrtester und angesehenster Arzt der trajanischen Zeit und als bedeutendster kaiserzeitlicher Mediziner vor dem Pergamener Galen gilt. In dieser Schrift erörtert Rufus unter anderem den Zusammenhang von Lebensalter, Melancholieneigung und Suizidgefährdung und stellt fest, daß die Melancholie im Greisenalter am häufigsten auftritt. „Ja, sie wird geradezu als ein ‚notwendiges und unabtrennbares Akzidens des Greisenalters‘ betrachtet, weil die Greise ohnehin wenig Freuden und Hoffnungen haben, mißmutig sind und an vielen Magenblähungen leiden.“ Gefräßigkeit, Trunksucht und Suizidneigung seien Indizien für Melancholie, und diese Symptomatik besitzt prinzipiell auch heute noch ihre Gültigkeit.

Magenblähungen, Gefräßigkeit und Trunksucht sind durchaus vorhanden. Einer Suizidneigung ließe sich mit Hilfe virtueller Technologien leicht nachhelfen, und schon haben wir eine melancholische Altersgemeinde, die sich schweren Herzens (melancholisch), aber voller Einsicht (als immer noch aufgeklärte) von der Young New World verabschiedet.

Und weiter geht der Tanz auf dem Vulkan. Als beeindruckende Schlussszene böte sich hier ein Rockkonzert auf dem Felsen der Loreley an. Und aus den tiefen des Rheines ertönt der Chor der Alten: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…

 

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