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Ist “Spitzweg” wirklich ein Roman?

Eckhart Nickel: Spitzweg. Piper, München 2022

Eckhart Nickel lässt seinen etwa 17-jährigen Ich-Erzähler als erstes verkünden: „Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht.“

In diesem ersten Satz des neuen Buches von Eckart Nickel deutet sich die Schwierigkeit an, in die der Autor mit diesem „Roman“ geraten ist. Die Geschichte ist aus der Sicht eines jungen Schülers geschrieben, enthält indes eine sich aufdrängende Fülle von kunsthistorischen, musikhistorischen und literarischen Mosaiksteinen, die der Autor, nicht der Erzähler an den Mann bringen will.

Um nicht zu protzsüchtig zu erscheinen (davon legt auch die geradezu bescheidene, große Ansprüche abwehrende Eingangsbemerkung Zeugnis ab), aber dennoch auf die Absicht, Großes aus dem Universum der Kunst kundzutun, nicht verzichten wollend, wird dem eher normal erscheinenden Erzähler (der sogar darunter leidet, dass er ganz normale Eltern hat) eine zweite Handlungsfigur an die Seite gestellt, die es in sich hat:

„Was Carl auch äußerte war wohlüberlegt und bedeutungsvoll formuliert. Ich war wie geblendet von der Allgegenwart seiner Gedanken, die nicht nur wie das geschriebene Wort klangen, sondern genug Sinn ergaben, um aus einem schlauen Buch stammen zu können. Weil ich nie zuvor einen Menschen so hatte reden hören, wurde mir allein von dem Versuch, seinen Ausführungen zu folgen, schwindlig. Fast schien es, als verfolge er mit jedem Wort, das er sagte, ein Ziel, auf das alles hinauslief, dessen Umrisse für mich jedoch umso weiter in einem dichter werdenden Nebel verschwanden, je länger ich über sie nachzusinnen imstande war.“

Hätte der Erzähler nicht auch etwas einfacher sagen können: „Carl sprach so druckreif, dass mir fast schwindlig wurde und ich manchmal Probleme hatte, seinen mündlich vorgetragenen Worten zu folgen.“? Der Erzähler spricht also elaborierter als ihm ansteht, wenn er z.B. so wegwerfend von „schlauen Büchern“ spricht. Eifert er bloß Carl nach, da er in dessen Sog geraten ist? Ist das Buch vielleicht sogar als Satire auf all die kulturkackenden Schönredner unserer Zeit und der Vergangenheit zu verstehen?

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Mitteilungen aus der Kronen-Gruft 26: Sauna? Was war das noch?

Ein Dokument aus längst vergessenen Zeiten. Aus einem Fitness-Center übrigens. Obwohl die Rechtschreibung eher vermuten lässt, dass hier ein Schüler oder eine Schülerin aus dem homegeschoolten Corona-Jahrgang 2020/2021 am Werke war. Wohin führt uns das noch? Die Wirtschaft hält sich ja ganz gut. Aber was ist mit der Orthographie? Brot war immer schon wichtiger als das “scharfe S”. 

Damit haben wir aber ganz unbeabsichtigt ein heißes Thema angeschnitten.

Die Filmemacher, die Intendanten, die Schauspieler rufen:

Rettet die Kultur! Denn die macht  den Menschen erst zum Menschen!

Was aber ist mit den vielen Millionen, wahrscheinlich Milliarden Menschen, die ums Überleben kämpfen? Die keine Zeit für Kino oder Kunst haben. Sind das keine vollwertigen Menschen?

Ja, dann geht jetzt zu den Menschen, geht dahin, wo Ihr gebraucht werdet. Geht in die Krankenhäuser und die Altenheime, wo Personal fehlt. Und redet nicht von Kultur, wenn’s ums Überleben geht.

Kultur könnte ohne Subventionen nicht gedeihen. Das heißt, die Gesellschaft tut was für Euch. Nun tut mal was für die Gesellschaft – außer Beinchen schwingen oder ein Gesicht in die Kamera halten.

Denn wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Mitten in einer Jahrhundertkatastrophe, gell?

Von der viele aber kaum was merken würden, wenn man es sub specie aeternitatis betrachtete. Das Leben ist beschwerlicher als früher, sicher. Aber es fallen keine Bomben, und niemand muss in den Luftschutzkeller. Wir leben in schweren Zeiten, aber wenn wir einen größeren Maßstab anlegen, können wir immer noch sagen:

Es ist eine privilegierte Katastrophe.

Was mich betrifft. Was uns betrifft. Hier in Deutschland.

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Grand Hotel Europa

Ilja Leonard Pfeijffer: Grand Hotel Europa. Piper Verlag, München 2020

Der niederländische Autor Ilja Leonard Pfeijffer ist in den Niederlanden wohlbekannt, er soll zu den führenden Autoren des Landes gehören. Ich hatte bisher nie von ihm gehört und habe mich auf eine Lektüre eingelassen auf Grund einer positiven Rezension in der Süddeutschen Zeitung. Volltreffer!

Pfeijffer ist verliebt ins Schreiben und man ist als Leser schnell bereit, ihm liebevoll zu folgen. Der Titel des Buches entpuppt sich als beziehungsreiche und kompakte Verdichtung dessen, was in diesem Roman abgehandelt wird. 

Nach der Lektüre assoziiert man leicht den Titel „Grand Hotel Europa“ mit dem geläufigen Schlagwort von der „Festung Europa“. Dieses Unterthema wird gleich im ersten Abschnitt des ersten Kapitels angeschlagen. Der Erzähler, ein gewisser Ilja Leonard Pfeijffer aus den Niederlanden, trifft bei seiner Ankunft im Grand Hotel Europa naturgemäß zuerst auf einen Piccolo, der ihm den Koffer tragen soll. Sie rauchen jedoch zuerst einmal gemeinsam eine Zigarette, und bei dem sich entspinnenden Gespräch erfahren wir einiges über den Erzähler (kommt direkt aus Venedig, hat vorher ein paar Jahre in Genua gewohnt, ist Schriftsteller), zugleich aber auch schon ein wenig über den Piccolo, einen junger Mann, der sich offenbar in Afrika aufgemacht hatte, die Wüste zu durchqueren und dann per Boot nach Italien geflohen ist. Abdul wird noch häufig mit dem Erzähler zusammensitzen und diesem seine Geschichte erzählen. Kurz gesagt: Es geht in diesem Roman unter anderem um das europäische Migrationsproblem, zu dem Pfeijffer eindeutig Stellung bezieht: Migranten sind nicht das Problem, sondern die Rettung Europas.

Grand Hotel Europa ist aber auch mit Hinblick auf Thomas Manns Roman Der Zauberberg, der ja auch in einem Hotel spielt, eine Metapher für einen Zustand Europas, demzufolge es für diesen Kontinent keine Zukunft gibt, da er nur aus Vergangenheit besteht und der aber versucht, daraus Kapital zu schlagen, indem er mit der Vergangenheit sein großes Geschäft macht.

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Gegenüber

Das Deutsche Tischtenniszentrum liegt GEGENÜBER vom Staufenplatz in Düsseldorf.

Woran denken Sie, wenn Sie BORUSSIA hören? Wahrscheinlich an Borussia Dortmund oder Borussia Mönchengladbach. Aber es gibt auch eine Borussia Düsseldorf, die sogar im diesjährigen Karnevalszug in Düsseldorf einen Namen davontrug. Insidern ist die Borussia Düsseldorf natürlich ein Begriff. Insidern, die sich für Tischtennis interessieren. Zu den Insidern zähle ich mich auch, da ich vor etwa dreißig Jahren meinen Sohn einmal die Woche zum Staufenplatz brachte, weil er dort bei Borussia trainierte.

Und genau vor der Borussia, vor ihrer neuen Trainingshalle, GEGENÜBER vom Staufenplatz, wurde heute eine Skulptur enthüllt, angesichts sonstiger Enthüllungen in unserer Zeit eine relativ harmlose Angelegenheit.

Und jetzt raten Sie mal, wie diese Skulptur heißt? Gut, Sie sind schon drauf gekommen: GEGENÜBER.

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Enthüllung, Umarmung

Ulrich Hassenpflug, der Künstler, nennt seine Skulptur GEGENÜBER aus genau diesem Grund. Erstens. Und zweitens, weil man sich beim Tischtennis GEGENÜBER steht. Und drittens – und diese Begründungsschiene habe ich eigentlich nicht so recht einordnen können –  weil für ihn die Kunst oder das Kunstwerk immer ein GEGENÜBER sei, nie ein von oben Herabschauen, und auch kein von unten Hinaufschauen, also immer das GEGENÜBER auf Augenhöhe im Blick.

Das Kunstwerk war zunächst unter einer schwarz-rot gestreiften Plane verborgen, am linken Rand kam allerdings so etwas wie ein rostiger Fuß zum Vorschein, der an einem langen rostigen Bein befestigt zu sein schien.

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Ulrich rennt, nicht Lola

Sollte sich am rechten Rand der Plane, der gut verdeckt war, ein ähnlich rostiges Drama bedeckt halten? Und worin würden dann diese rostigen Beine münden? Etwa in eine rostige….? Nicht auszudenken!

Auf die Idee, dass darauf zwei metallene Tischtennisschläger sich leicht bewegen könnten, bin ich nicht gekommen. Obwohl ich Ulrichs Skulpturen kenne und weiß, dass sein künstlerisches Thema ist: Schweres Metall zum Schwingen bringen.  Bravo Ulrich, Du hast es fertig gebracht, das superschnelle Tischtennistheater in diesen superlangsam sich drehenden Schwermetallschlägern mit Bällen künstlerisch zu zähmen.

Eines aber hat mich gestört, und dieses Eine kann ich nicht verhehlen, verschweigen, unter den Teppich kehren und aus meinem Kopf treiben: Jeder Tennisschläger ist perfekt (obwohl sich der rechte nicht so willig bewegen lässt, wie es schien). Aber waren das jetzt zwei Kunstwerke, wie Du angedeutet hast, oder war es nur eins? Für mich galt das als ein Werk. Aber dann fehlte etwas Verbindendes. Da stehen zwei Säulen mit je einem Schläger. Das Verbindende wäre eine Fläche, die, einer Tischtennisplatte gleich, erst andeutet, dass da nicht zwei für sich spielen, sondern mit einem GEGENÜBER.

Eine kleine Diashow von heute Morgen kann man hier besichtigen.

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