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Mitteilungen aus der Kronen-Gruft 33: Etappensieg

Heute war ich in Halle 1 des Saarbrücker Messegeländes, um mich das erste Mal gegen Corona impfen zu lassen. Geparkt habe ich in der Nähe des Geländes, habe die Zufahrt zur Autobahn überquert, die beiden Wächter am Eingang gefragt, wo es zum Impfen geht. Zum Gebäude da, dahinter rechts, wurde mir beschieden. Der Zugang ist offenbar für größere Menschenmengen ausgelegt, mit Warteschleusen, Abstandsmarkierungen und gelegentlichen Bänken für die, die nicht so lange stehen können. Dann der Empfang. Eine freundliche junge Frau, die fragt, ob es mir gut geht. Sie nimmt meine Daten auf, misst meine Temperatur und versieht mich mit einem weißen Armbändchen mit einem Nümmerchen. Beim Scannen des QR-Codes auf meinem iPhone kommt es zu einer kleinen Anspannung, die leicht zu einem kleinen Streit hätte führen können. Zum Scannen nahm sie mir das iPhone aus der Hand und hielt es unter das an der Wand befindliche Lesegerät. Ich weise sie höflich darauf hin, dass der Scanvorgang doch wohl besser in einer Weise erfolgen sollte, die eine Fremdberührung meines Handys vermeiden würde. „Ich desinfiziere hinterher immer meine Hände,“ sagt sie. „Das hilft mir aber nicht,“ sage ich. Als sie anfängt, ihr Verhalten zu rechtfertigen („Früher haben wir das anders gemacht, da hatten wir ein mobiles Handgerät, das wir ans Handy halten konnten.“), sage ich schnell, ich wolle ja gar keinen Stress machen und würde von ihr auch keine persönliche Rechtfertigung verlangen… Sie schickt mich dann zur nächsten Station. Am Eingang Nr. 7 werde ich von einem Mann bedient. Er händigt mir ein paar Papiere aus, die ich ausfüllen soll, überreicht mir ein Schreibpad mit ein paar Formularen, auf das auch mein Impfpass geklemmt wird. Scannt meinen Personalausweis, notiert sich meine Krankenversicherungsdaten und bedeutet mir, ich solle jetzt da rechts weitergehen zum Wartesaal Nr. 1. Da nehme ich auf einem Stuhl Platz und verfolge die Nummern auf einer Tafel, die beständig erneuert werden. Meine Nummer erscheint, 295-1895, ich werde in die Kabine 16 gewiesen. In Kabine 16 taucht bald danach ein junger Arzt auf, der mich als Kollegen begrüßt. Nicht genau Kollege, sage ich. Und wie viele Ärzte in einer solchen Situation will er nun genau wissen, mit wem er es denn dann zu tun hat, wenn nicht mit einem Arzt. Und wie immer in einer vergleichbaren Situation empfinde ich diese Ausfragerei als lästig, gebe ihr aber nach. Der junge Arzt erklärt mir noch ein wenig dies und das, kann zu einer Anschwellung am Oberarm kommen, evtl. Kopfschmerzen. Paracetamol. Der Arzt ist indes nur für die Aufklärung zuständig. Die Spritze verabreicht ein etwas älterer Mann ohne Namensschild. Von dem Einstich merke ich gar nichts. Ich sage ihm, er könnte das gern nochmal machen. „Ich kann das so oft machen, bis Sie was davon merken!“ sagt er mir. Und schickt mich in den Wartesaal 2, wo ich noch 15 Minuten auf einem der breit verteilten blauen Stühle warten soll. Die meisten Stühle sind leer. Die Impfung scheint insgesamt gut organisiert zu sein. Neben älteren Menschen wie ich sind auffallend viele jüngere hier. Pflegepersonal oder Vordrängler? Nach sieben oder acht Minuten stelle ich mich in einer Schlange an vor einem der Check-out-Stellen. Nach insgesamt 40 Minuten bis ich wieder am Auto und fahre mit einem guten Gefühl nach Hause: Erste Impfung, ein kleiner Etappensieg.

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Corona & Cholera (Middlemarch 6)

George Eliot: Middlemarch. Wordsworth Editions Limited, Ware 2000 (1871)

Die gegenwärtige Pandemie verschafft dem Buch von George Eliot, das doch im guten alten Stil behäbiger Psycho- und Liebesromane des 19. Jahrhunderts daherzukommen scheint (das Buch ist in Wirklichkeit das witzigste und geistreichste, das ich in letzter Zeit gelesen habe!), eine überraschende Aktualität, zumindest was einen, aber zentralen Erzählstrang angeht, nämlich den Dr. Lydgate betreffenden, welcher nämlich ein junger Arzt ist, der versucht, in einer fiktiven englischen Stadt namens Mittlemarch Methoden anzuwenden, die bei vielen Bürgern den Verdacht erwecken, er tue da etwas, was angesichts der damals üblichen Methoden schlicht ungeheuerlich sei.

Seit vielen Monaten schon kursiert das Gerücht in Sozialen Netzwerken, Bill Gates habe vor, bei der Impfung gegen das Corona-Virus einen Mikrochip implantieren zu lassen. Gottseidank ist die Anhängerschaft dieser abstrusen Theorie überschaubar. Nicht so überschaubar war hingegen im England der Jahre um 1820, also der Jahre, da unsere Roman spielt, die Anzahl derjenigen, die aus heutiger Sicht einer ebenso abstrusen Theorie anhingen, nämlich der, dass die Ärzte Cholerakranke ins Hospital verbrachten und sie dort töteten, um anatomische Experimente an ihnen durchführen zu können. In vielen Städten, vor allem aber in Liverpool, kam es deswegen zu massiven Aufständen, in denen immer wieder auch gewaltsam dagegen protestiert wurde, dass Ärzte sogar angeblich Leichen vom Friedhof stahlen, um sie dann sezieren zu können.

Allerdings beschränken sich die Ähnlichkeiten zwischen heutigen Verschwörungstheoretikern und denen vor 200 Jahren auf den formalen Aspekt, dass man gewaltsam gegen etwas, das sich im medizinischen Bereich abspielt und das man ablehnt, protestiert,. Ich würde also nicht einen historisierenden Schluss ziehen, der so aussehen könnte: So wie sich pathologische Untersuchungen als legitime und durchaus nützliche Vorgänge etabliert haben, so wird man in beschleunigten Zeiten wie der unserigen vielleichte nicht erst in 200, sondern schon in 20 Jahren zu der Auffassung gelangt sein, beim Impfen würden Mikrochips unter die Haut gespritzt…

Anyway. Kommen wir jetzt zum Roman als solchem. Weiterlesen…

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FCK 2020

Was Jan Böhmermann & Co nun am Jahresende musikalisch in Szene setzen, scheint einfach geil. Dem Virus die Stirn bieten, fröhlich sein, kraftvolle Musik machen. Aber ich höre da schon ein “Haha! Wir haben’s bald geschafft!” heraus. Pünktlich zu Weihnachten wurde die erste Deutsche, Alter 101 Jahre, geimpft. Die Pandemie ist sicher keine Inszenierung, wie manche Idioten behaupten. Aber die Geschichte mit der 101-jährigen Frau, die ist gewiss inszeniert. 

Im Mai hatte ich mich gekrönt, you remember? Dem Virus die Stirn bieten, hieß das doch. Aber das Bild vermittelt einen ganz anderen Eindruck als dieses fröhliche Geklimpere auf YouTube.

 

Und wir sind noch nicht über den Berg. Ich denke manchmal schon: That’s the way the world ends. Not with a bang, but with a virus… Und was ist daran schuld? Etwa die Globalisierung? Ich habe nichts gegen die Globalisierung, ich habe auch nichts dagegen, dass ich sterben muss. Beides sind Tatsachen. Das Flüchtlingselend auf Lesbos, nun noch getoppt durch das auf den Kanaren, ist doch auch eine Folge der Globalisierung. Die in Armut und Verzweiflung Dahinvegetierenden in Afrika, aber nicht nur da, die sich mit ihren Handys auf den Weg machen in ein Land, das ihnen verspricht, überhaupt leben zu können, werden immer mehr. Auf den kanarischen Inseln kamen vor ein paar Jahren noch 2 Flüchtlinge am Tag an, heute sind es 200. Und wer glaubt, die Verteilung des Impfstoffes werde gerecht erfolgen, der ist naiv. Zum Verteilungskampf um Ressourcen, um Essen, kommt nun noch der um den Impfstoff hinzu. Bei uns, oder auch in den USA, fällt die Gesellschaft auseinander, sagt man, in immer Reichere und immer mehr Arme. Dieses Auseinanderdriften wird jedoch im weltweiten Maßstab noch eine viel größere Dynamik entwickeln (Es wird exponentiell wachsen wie die Zahl der  an Covid 19 Erkrankten, wenn die Kontrolle verloren geht.), von der wir uns zur Zeit noch überhaupt keine Vorstellung machen können. 

Soll ich mal ganz ehrlich sein? Ich bin froh, dass ich die Folge dessen, was sich heute abzeichnet, mit meinen 74 Jahren wohl nicht mehr in ihrer vollen Entfaltung erleben werde. 

PS: Ich hoffe, es ist vorstellbar, dass diese Ananas-Bekrönung mir großen Spaß gemacht hat. Ich war in dem Augenblick, da ich dieses Bild von mir machte, ein glücklicher Mensch… Denn: Ars aeterna, vita brevis.

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