Was Jan Böhmermann & Co nun am Jahresende musikalisch in Szene setzen, scheint einfach geil. Dem Virus die Stirn bieten, fröhlich sein, kraftvolle Musik machen. Aber ich höre da schon ein “Haha! Wir haben’s bald geschafft!” heraus. Pünktlich zu Weihnachten wurde die erste Deutsche, Alter 101 Jahre, geimpft. Die Pandemie ist sicher keine Inszenierung, wie manche Idioten behaupten. Aber die Geschichte mit der 101-jährigen Frau, die ist gewiss inszeniert.
Im Mai hatte ich mich gekrönt, you remember? Dem Virus die Stirn bieten, hieß das doch. Aber das Bild vermittelt einen ganz anderen Eindruck als dieses fröhliche Geklimpere auf YouTube.
Und wir sind noch nicht über den Berg. Ich denke manchmal schon: That’s the way the world ends. Not with a bang, but with a virus… Und was ist daran schuld? Etwa die Globalisierung? Ich habe nichts gegen die Globalisierung, ich habe auch nichts dagegen, dass ich sterben muss. Beides sind Tatsachen. Das Flüchtlingselend auf Lesbos, nun noch getoppt durch das auf den Kanaren, ist doch auch eine Folge der Globalisierung. Die in Armut und Verzweiflung Dahinvegetierenden in Afrika, aber nicht nur da, die sich mit ihren Handys auf den Weg machen in ein Land, das ihnen verspricht, überhaupt leben zu können, werden immer mehr. Auf den kanarischen Inseln kamen vor ein paar Jahren noch 2 Flüchtlinge am Tag an, heute sind es 200. Und wer glaubt, die Verteilung des Impfstoffes werde gerecht erfolgen, der ist naiv. Zum Verteilungskampf um Ressourcen, um Essen, kommt nun noch der um den Impfstoff hinzu. Bei uns, oder auch in den USA, fällt die Gesellschaft auseinander, sagt man, in immer Reichere und immer mehr Arme. Dieses Auseinanderdriften wird jedoch im weltweiten Maßstab noch eine viel größere Dynamik entwickeln (Es wird exponentiell wachsen wie die Zahl der an Covid 19 Erkrankten, wenn die Kontrolle verloren geht.), von der wir uns zur Zeit noch überhaupt keine Vorstellung machen können.
Soll ich mal ganz ehrlich sein? Ich bin froh, dass ich die Folge dessen, was sich heute abzeichnet, mit meinen 74 Jahren wohl nicht mehr in ihrer vollen Entfaltung erleben werde.
PS: Ich hoffe, es ist vorstellbar, dass diese Ananas-Bekrönung mir großen Spaß gemacht hat. Ich war in dem Augenblick, da ich dieses Bild von mir machte, ein glücklicher Mensch… Denn: Ars aeterna, vita brevis.
Ich erhielt in den letzten Tagen verschiedene Rückmeldungen zu diesem Beitrag, und das Schöne daran war, dass meine Freunde mir Mut machen wollten, da sie wohl annahmen, dass ich auf Grund meiner Sicht der Dinge (zu denen ja auch eine ganze Reihe unleugbarer Fakten gehören) etwas depressiv geworden sei. Dabei wollte ich nur darauf verweisen, dass ich, 1946 geboren, ungeheuer Glück gehabt habe, was meine Lebensumstände angeht. Doch denken wir doch jetzt einmal an das, was nun droht: Die Klimakatastrophe, die Pandemie, das Erstarken totalitärer Systeme (Trump könnte nur ein Vorgeschmack gewesen sein) und, nicht zuletzt: Sie wollen mir meinen neuen SUV wegnehmen oder zumindest madig machen. Kein Grund, depressiv zu werden? Was hilft? Abends ein Glas Rotwein oder zwei und eine gute Zigarre, um, wenigstens ein wenig, die Tage im Lockdown zu strukturieren, also ein (Tages-)Ziel zu haben. Den Rest (des Tages) kann man dann getrost verschlafen.