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Schon wieder wandert jemand nach Italien

Willi Winkler: Herbstlicht. Eine Wanderung nach Italien (November 2022)

Wer ist Willi Winkler?

„Willi Winkler ist ein deutscher Journalist, Übersetzer, Autor und Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung.“ (Wikipedia)

Was hat mich veranlasst, ein Buch von Willi Winkler zu kaufen?

Willi Winkler kommt in der Süddeutschen Zeitung oft zum Zuge, wenn etwas ausgefallenere Themen zu bewältigen sind, solche über den Rand der Gesellschaft oder auch die Kanten der Kultur. Dabei verfährt er immer recht kenntnisreich und überrascht dabei immer mit frischen, unverbrauchten oder nie gebrauchten Formulierungen. 

Bei letzterem kommt ihm dabei wahrscheinlich zugute, dass der Gegenstand, über den er schreibt, geradezu die Herausforderung zu einem solch kreativen Zugang darstellt.

Was aber ist, wenn er über Dinge schreibt, die eigentlich langweilig sind? Zum Beispiel über einen Fußmarsch von Wittenberg nach Mailand, bei dem einem ja naturgemäß nur alltägliche Dinge begegnen, die das Leben ausmachen, und die dabei ja extrem kontingent sind in ihrer zeitlichen Folge?

Willi Winkler scheint dabei ganz auf die Macht seines gewohnten Sprachstils und auf die Wirkung von detailliert präsentierten kulturellen Begebenheiten zu vertrauen. Ersteres verspricht dem Leser eine gewisse Freude, ein Wohlbehagen, weil ihm die schönen Wörter nicht auf der Zunge, sondern quasi im Ohr zergehen, letzteres nötig ihm eine gewisse Bewunderung ab und führt schließlich zu einem kleinen Stolz, teilhaben zu können an so viel Schönem und Interessantem…

Ich kann es kurz machen. Willi Winkler bricht im Herbst 2020 oder 2021 von Wittenberg auf, um zu Fuß durch Deutschland (also Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern), über die Alpen und bis Mailand zu gehen. „Italien war zuerst kaum mehr als ein Gedanke, eine spinnerte Idee, der Wunsch, an Ort und Stelle aufzubrechen und loszugehen. Wohin? Einfach nach Süden und möglichst weit. In Italien müsste man jetzt sein, aber wie kommt man dahin? Fahren kann jeder Depp, und jeder zweite tut es auch.“ Aber gehen sei etwas ganz anderes. Es sei langweilig, habe keine Höhepunkte, sagt der Autor. Goethe sei natürlich mit einer Kutsche nach Italien gereist, dieses Vorbild aller akademisierten Italienfahrer. „Also gehen, fortgehen, immer weitergehen.“ So beschließt es der Autor.

Warum also diese Wanderung? Warum er dieses Buch schreibt ist klar. Willi Winkler wollte natürlich aus diesen 1 ½ Monaten Tätigkeit Kapital schlagen. Aber warum er 1.300 km zu Fuß bis nach Mailand geht, wird aus dem, was wir vom Autor erfahren, nicht ganz klar. Er sagt als Erstes: „Italien!“ Tut das als „spinnerte Idee“ ab und fragt „Wohin?“. Dann sagt er „nach Süden“ und „weit weg“. Wer „weit weg“ will, fürchtet sich vor dem „Hier“. Also ist hier nichts anderes als eine Flucht geplant. Und bei der Frage des Wohin fällt ihm sogleich Italien ein, ein Ort zum Wohlfühlen, wenn man sich wie Goethe von einer Frau (von Stein) bedrängt fühlt. 

Halten wir also fest: Willi Winkler will abhauen, weil er Probleme mit einer Frau hat. Er wählt als Ziel der Flucht Italien, weil es da geliebte literarische Präzedenzfälle gibt. Und er geht zu Fuß, weil er sich mit seinen 65 Jahren noch etwas beweisen will („Fahren kann jeder Depp“). (Was den Schluss nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei seiner Rückkehr von diesem Alpenspaziergang eine junge Geliebte in München auf ihn wartet… Oder eine Vulpius?)

Ich werde demnächst ein paar weitere Lesefrüchte dieses Buches unter „Reflexe und Reflexionen“ ausbreiten.

Ist inzwischen passiert: https://wp.me/P24xNR-5m

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