Sippung Kunst im Saarland: Galli

weichei

Weichei, kapott gemalen / 2000 / 40 X 50 cm

1. Das Spiel mit den Dingen und Wörtern: Natürlich ist hier ein Ei zu erkennen, ein Ei, das vor Wut offenbar rot angelaufen ist. Denn ihm fehlt die hintere Hälfte, aus der flauschiges Eiweiß quillt, genau wie aus dem Auge. Aber die Künstlerin mokiert sich über dieses kaputte Ei auch noch: Weichei, ruft sie ihm zu. Du bist ja so was von kaPott! Nicht im Bild, aber sprachlich präsent: Der Kaffeepott, an dem das Ei sich den Hintern verbrannt hat. Gemahlen ist der Kaffee, und das Ganze jetzt selbstbezüglich noch einmal auf eine höhere Ebene gehoben: Das Weichei ist gemalt. Oder hat sich selber gemalt, denn was es in der rechten Hand hält, könnte durchaus ein Malstift sein. Oder ein Löffel. Hat sich das Weichei etwa selber gemalt? Oder selber kapott gefressen?

Das führt uns zu der These:

2. Alles bleibt in der Schwebe: Nicht nur die gegenständlichen Elemente, auch die sprachlichen Sprenkel werden zugleich gesetzt und zerstört. Die Verletzung von Sprachregeln erzeugt ein neues sprachliches Universum, erzeugt sprachliche Zeichen, die auf engstem Raum viel bedeuten. Zusammen mit den bildlichen Elementen erweitern sie unsere Wahrnehmung: Wir sehen plötzlich Galli beim Frühstücken zu, Frühstück mit Ei und einem riesigen Pott Kaffee, aber in Gedanken ist sie längst schon wieder auf einer Leinwand unterwegs, Leinwand und Farbe und Wörter bleiben, was sie sind, werden aber zugleich transformiert zu einer neuen Wirklichkeit, die sich im Kopfe eines jeden Bildbetrachters bildet. Dies führt zu einem weiteren Aspekt:

3. Entschleunigung der Wahrnehmung. Denn so ein Bild wird wirklich erlebt, nämlich in dem Sinne, dass es in uns lebendig wird. Und solange wir uns der eigenen inneren Bildlichkeit hingeben, sind wir dem schnellen Zug der äußeren Raum-Zeit entzogen. Mag das arme Ei auch noch so kapott sein, das hat nur medialen Charakter. Das Lächeln, das es auf unsere Lippen zaubert, verkündet von unserem innerem Glanz. Wir werden glückliche Menschen. Oder, wie das die Schlaraffen sagen: In arte voluptas!

Aber natürlich werden wir uns bald sattgesehen haben und gnadenlos das nächste Frühstücksei köpfen und das Gallinische Ei vergessen haben… Übrigens traue ich der Malerin einen ironischen Selbstbezug zu. Die Eierbeinchen sind doch recht kurz und etwas seltsam gestellt. Als verschlüsseltes Selbstporträt der kleinwüchsigen Malerin würde das dann bedeuten: Für heute hab‘ ich genug gemalt. Jetzt bin ich kaputt. Ich Weichei…

Leo Läufer

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